Praxisbeispiel

Wiener Klimateam

Wiener Klimateams - Teilnehmer:innen
Wiener Klimateams (c) Foto: Fürthner

Projektbeschreibung

Das Wiener Klimateam ist ein inklusives Beteiligungsvorhaben der Stadt Wien, welches Projekte des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung für ein lebenswertes klimaneutrales Wien sektoren- und themenübergreifend auf den Weg bringen soll.

Das Pilotprojekt startete 2022 in den Wiener Bezirken Margareten, Simmering und Ottakring. Im Jahr 2023 erfolgt eine pilothafte Umsetzung in drei weiteren Bezirken. Für diese zweijährige Pilotphase steht ein Gesamtbudget von 13 Millionen Euro zur Verfügung. Dies inkludiert das Umsetzungsbudget von 20€/Einwohner:in für die im Zuge des Prozesses entwickelten Projekte.

Anlass und Hintergrund

Die Klimakrise ist eine große Herausforderung für Demokratien und Stadtverwaltungen. Um sie zu bewältigen braucht es neue Prozesse und Strukturen, neue Formen der Zusammenarbeit, Inklusion und vieles mehr. Die Stadt Wien startete deshalb im Jahr 2022 das Wiener Klimateam, um auf einige dieser neuen Herausforderungen zu reagieren und Antworten zu finden. Auf diesem Weg zu systemischen Klimaschutz sollen Demokratie und soziale Gerechtigkeit gestärkt werden.

Mit dem Wiener Klimateam beschreitet die Stadt Wien neue Wege der Beteiligung und Aktivierung sowie Governance und Kooperation: Wiener:innen können ihr Lebensumfeld direkt mitgestalten und ihre Ideen zusammen mit Politik und Verwaltung in die Umsetzung bringen. Dabei sollen möglichst breit und inklusiv unterschiedliche soziale Gruppen durch partizipativ-demokratische Elemente mit einbezogen werden. Vom Gemeindebau bis zum Schrebergarten, vom Park bis zum Vereinslokal: Direkt im Grätzl – also dort, wo sich das Leben im Bezirk abspielt – holt das Projekt die Wiener:innen ins Klimateam. Als Expert:innen für ihren Bezirk wissen die Wiener:innen am besten, was es bei ihnen ums Eck für ein besseres Klima braucht. Alle Beteiligten ziehen an einem Strang und lernen voneinander. Das Wiener Klimateam geht damit als Beispiel für gemeinsames Handeln im Kampf gegen die Klimakrise voran.

Die Umsetzung des Projektes wurde über knapp zwei Jahre vorbereitet. Diese Vorbereitung umfasste die Auswertung internationaler Beispiele, Expert:innengespräche, eine umfassende einjährige iterative stadtinterne Stakeholder:innenaktivierung sowie die Begleitung durch ein Advisory Board mit Expert:innen aus dem Bereich Klimaschutz, Governance und Beteiligung.

Ziel(e)

  • Beitrag zum Klimaschutz der Stadt Wien und zur klimafreundlichen Stadtentwicklung (Anpassung an den Klimawandel)
  • Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zum Thema Klima und Klimawandel, seiner Folgen für Wien und möglichen Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen
  • Steigerung der sozialen Gerechtigkeit und Gleichstellung in den beteiligten Bezirken
  • Stärkung der Selbstwirksamkeit (Bewusstseinsbildung, Empowerment, Demokratieverständnis usw.) der beteiligten Bürger:innen
  • Ergänzung der repräsentativen Demokratie durch partizipative Elemente zur Einbindung breiter gesellschaftlicher Gruppen
  • Einbeziehung traditionell unter- bzw. nicht-repräsentierter Bevölkerungsgruppen, um sozial gerechte Klimamaßnahmen zu gewährleisten
  • Strategische Verankerung von Beteiligungsprozessen in Entscheidungsprozessen der Stadt
  • Stärkung des operativen, abteilungsübergreifenden Handelns auf Verwaltungsebene

Prozessdesign und Ablauf

Das Wiener Klimateam verläuft entlang eines ca. einjährigen Beteiligungszyklus, in dem Ideen eingereicht werden und daraus in Phasen gemeinsame Projekte entstehen.

Entlang dieser Phasen wurden im Jahr 2022 zielgruppenspezifische und crossmediale Beteiligungselemente entwickelt und umgesetzt. Mit dem Ziel, Menschen aus breit gefächerten und diversen sozialen Bevölkerungsschichten zu aktivieren und in den Prozess des Wiener Klimateams zu involvieren. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Aktivierung von üblicherweise schwer erreichbaren, unterrepräsentativen Bevölkerungsschichten (Menschen mit Sprachbarrieren, ökonomisch benachteiligte Schichten, wenig gebildete Menschen, Menschen ohne Internetzugang etc.) in Beteiligungsprozesses. Dies soll im Jahr 2023 weiter vertieft werden.

Wiener Klimateams, Menschen diskutieren miteinander
Klimateams (c) Foto: Votava
1.

Phase 0 – Aktivierung und Vorbereitung (ca. Januar bis März)

Ziel: Die Multiplikator:innen und die Bevölkerung werden aktiviert, das On-Boarding des Magistrats der Stadt Wien findet statt, der Projektstart wird vorbereitet.

Elemente der Aktivierung und Beteiligung:

  • Lokale Multiplikator:innen als Partner:innen: Es werden wichtige lokale Multiplikator:innen in den Bezirken identifiziert und aktiv ins Projekt involviert. Diese lokalen Multiplikator:innen sind der essentielle Schlüssel, um auch jene Zielgruppen zu erreichen, die sonst üblicherweise in Beteiligungsprojekten selten erreicht werden. Die Einbindung der Multiplikator:innen umfasst die Phasen 0 und 1.
  • On-Boarding und Beteiligung der Themenverantwortlichen (Expert:innen der Stadt): Es wurden ca. 50 Expert:innen des Magistrats (Themenverantwortliche) identifiziert und in gemeinsamen spielerischen Workshopsettings auf ihre Aufgabe und Rolle vorbereitet. Neben der Prüfung der Ideen auf Umsetzbarkeit und Machbarkeit begleiten sie auch die Ideen und Ideengeber:innen mit ihrer Expertise bis zur ersten Projektskizze. Die Themenverantwortlichen sind über alle Phasen des Projektes hinweg beteiligt.
  • Kommunikations- und Informationskampagne: Jede gute Beteiligung braucht auch eine entsprechende Kommunikations- und Informationskampagne, die über die sozialen Medien, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit ausgespielt und begleitet wurde. Darüber hinaus informiert eine Projektwebsite über das Projekt und bietet auch mehrsprachige Basisinformationen an. Die Kommunikations- und Informationskampagne umfasst alle Phasen.
2.

Phase 1 – Ideen einreichen (ca. April bis Mai)

Ziel: Die Bürger:innen reichen analog und digital umsetzbare, sozial gerechte und klimawirksame Ideen ein – auch von und für jene, die besonders vom Klimawandel betroffen sind.

Elemente der Aktivierung und Beteiligung:

  • Klimateam-Box: Zur Unterstützung der Aktivitäten der Multiplikator:innen wurde ihnen im Jahr 2022 eine „Klimateam-Box“ zur Verfügung gestellt: die „Klimateam-Box“ ist eine Art Mitmach-Toolbox, die wesentliche Informationen zum Projekt, vor allem aber zum Thema Klimaschutz und Klimaanpassung bereit hält, welches anschaulich, leicht verständlich und spielerisch aufgearbeitet wurde.
  • Ideengenerierung vor Ort und aufsuchend (analog): Im Zuge des Ideengenerierungsprozesses werden mit Unterstützung der Partner:innen, den Multiplikator:innen, sowie durch das Projektteam rund 40 Vor-Ort-Aktivitäten in unterschiedlichen Sozialräumen organisiert, die einen aufsuchenden, inklusiven, informierenden Charakter haben und sich an die Zielgruppen angepasst haben. So wurden bspw. Klimaspaziergänge, Klimawerkstätten, aufsuchende Klimagespräche, Schulworkshops, Bastel- und Kochworkshops, etc. umgesetzt. In den Gesprächen wurde über das Projekt informiert und man konnte auf einer analogen Ideenkarte, ein oder mehrere Ideen einreichen. Diese sind auf eine digitale Plattform übertragen worden.
  • Postwurfsendung Ideenkarte: Im Jahr 2022 haben 145.000 Haushalte eine Postwurfsendung mit einer Ideenpostkarte erhalten, damit auch jene die Möglichkeit haben, dabei sein zu können, die es nicht zu den Veranstaltungen schaffen und/oder digital einreichen können.
  • Ideengenerierung digital: Ergänzend zur analogen Aktivierung können die Ideen auf einer digitalen Plattform – getrennt nach teilnehmenden Bezirken – eingereicht werden. Auf dieser Plattform wird transparent und nachvollziehbar zum Projekt und zu jeder einzelnen Phase kommuniziert.
3.

Phase 2 – Ideen prüfen (ca. Juni bis Juli)

Ziel: Die beteiligten Fachabteilungen der Stadt Wien und stadtnahe Unternehmen sortieren offensichtlich nicht förderbare Ideen basierend auf einem Kriterienkatalog aus und geben ihre Einschätzung zur Wirksamkeit (Klimawirkung und sozial Wirkung) und Umsetzbarkeit der Ideen ab.

4.

Phase 3 – Projekte ausarbeiten (ca. August bis Oktober)

Ziel: Die von den Expert:innen evaluierten Ideen werden von den Bürger:innen gemeinsam mit den Fachabteilungen der Stadt Wien und den Bezirksvertretungen zu umsetzbaren, möglichst klimawirksamen und sozial gerechten Projektideen weiterentwickelt. Es entstehen erste Projektskizzen.

Elemente der Beteiligung und Aktivierung:

  • Co-Kreation Workshops: In insgesamt fünf kollaborativen Workshopsettings werden die Ideen von den Ideengeber:innen gemeinsam mit den Expert:innen der Fachabteilungen und den Bezirksvertreter:innen geclustert, um weitere Informationen verdichtet und zu umsetzbaren, möglichst klimawirksamen und sozial gerechten Projektideen weiterentwickelt. Dabei werden alle vorliegenden Ideen gleichermaßen weiterentwickelt, unabhängig davon ob die Ideengeber:innen anwesend sind oder nicht.
    Um möglichst allen Interessierten die Teilnahme zu ermöglichen, fanden die Bezirks-Workshops am späten Nachmittag/Abend statt und es wurde eine Kinderbetreuung vor Ort angeboten.
5.

Phase 4: „Bürger:innen Jury“ (ca. November)

Ziel: Eine repräsentativ geloste Bürger:innen-Jury je Bezirk wählt die sozial gerechten Gewinnerprojekte mit höchst möglicher Klimawirksamkeit.

Elemente der Aktivierung und Beteiligung

  • Losverfahren zur Zusammensetzung der Jury: Je Bezirk wurde eine Bürger:innen-Jury per Losverfahren ermittelt. Jede Jury ist eine Art „Mini-Margareten“, „Mini-Simmering“ und „Mini-Ottakring“ und setzt sich aus je 20 Mitgliedern in Simmering und Ottakring sowie 12 Mitgliedern in Margareten (plus je 2 Ersatzmitglieder in allen drei Bezirken) zusammen, die ihren Hauptwohnsitz im jeweiligen Bezirk haben, mindestens 16 Jahre alt sind und einen repräsentativen Querschnitt der jeweiligen Bezirksbevölkerung hinsichtlich Geschlecht, Alter, Bildung, Erwerbsstatus, Einkommen und Herkunft haben.
  • Ablauf der Jury: Eine Bürger:innen-Jury je Bezirk entscheidet, welche Projektideen mit den vorhandenen finanziellen Mitteln zur Umsetzung vorgeschlagen werden sollen. Bei der Wahl der Örtlichkeit (zentral im Bezirk) und der Zeit (Jurysitzungen am Wochenende) wird darauf geachtet, möglichst vielen Menschen die Teilnahme zu ermöglichen. Zusätzlich wird eine Kinderbetreuung vor Ort angeboten und alle Teilnehmer:innen erhalten eine Aufwandsentschädigung (Incentive). Die Jurysitzungen fanden an drei auf einander folgenden Wochenenden im November in den drei Bezirken statt.
    Die Jury wird in einem gemeinsamen Termin für alle drei Bezirke auf ihre Aufgabe und Rolle vorbereitet. In diesem Zusammenhang wurde das Klima-Mosaik entwickelt. Das Klima-Mosaik ist eine Art Wissensspiel bei dem die komplexen Zusammenhänge von Ursache und Auswirkung des Klimawandels in der Stadt Wien erlernt werden können. Dabei werden spielerisch und systemisch auch die Ziele des Klimafahrplans der Stadt Wien vermittelt.Der Entscheidungsprozess für die Projektideen erfolgt in mehreren Schritten an zwei Tagen:

    • Vorauswahl (Tag 1): Die Jury beschließt in Kleingruppen Entscheidungskriterien, welche eine 1) positive Klimawirkung haben und 2) sozialen Zusammenhalt und mehr Gemeinschaft im Bezirk schaffen. Diese gemeinsamen Prinzipien werden als Referenz für alle Entscheidungen herangezogen. Nach einer ersten Sichtung der Projektideen haben die Jury-Mitglieder die Möglichkeit, noch offene Fragen an Expert:innen der Stadt zu stellen. Im Anschluss findet eine erste Vorauswahl der Projektideen statt.
    • Erster Vorschlag Entscheidung (Tag 2): Die Jury-Mitglieder sortieren in Kleingruppen die Projektideen im Konsent (keine Gegenstimme) nach Priorität inklusive Entscheidungsbegründung. Anschließend werden die Prioritäten aus den Kleingruppen zusammengeführt und hieraus ein Entscheidungsvorschlag für das Plenum erstellt.
    • Entscheidung (Tag 2): Der erste Entscheidungsvorschlag wird dem Plenum präsentiert. Anschließend haben die Jury-Mitglieder Zeit in ihren Kleingruppen Verbesserungsvorschläge zu formulieren, welche sie im Plenum vorstellen. Die finale Entscheidung wird im Plenum im Konsent beschlossen.
6.

Phase 5 – Projekte umsetzen (ca. ab Dezember)

Ziel: Die ausgewählten Projektideen werden der zuständigen Dienststelle ‚übergeben‘ und innerhalb der folgenden zwei Jahre umgesetzt.

Elemente der Aktivierung und Beteiligung:

  • Abschlussevent: In einem gemeinsamen Abschlussevent werden die Projektideen bekannt gegeben und in die Verantwortung der umsetzenden Dienststellen übergeben.
Wiener Klimateams. Menschen bei Veranstaltung
Klimateams (c) Foto: Ukobitz

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 1.100 Ideen eingereicht. Der Fokus der Ideen lag auf den Themen des Stadtraumes, öffentliches Raumes, Umwelt und Mobilität.

Alle Ideen wurden von den rund 50 beteiligten Expert:innen des Magistrats überprüft, ob sie wirksam und umsetzbar sind. Grundlage für die Prüfung der Ideen war ein Kriterienkatalog und die fachliche Einschätzung der Expert:innen. Auch die Bezirke waren in die Beurteilung der Ideen involviert. Eine Auswahl von 238 evaluierten Ideen wurde in die nächste Phase „Projekte ausarbeiten“ mitgenommen. In co-kreativen Workshops haben die Ideengeber:innen zusammen mit den Expert:innen der Stadt Wien diese Ideen thematisch und inhaltlich zu 102 Projektskizzen geclustert und weiterentwickelt.

An drei Wochenenden im November fanden die Sitzungen der Bürger:innen-Jurys in den Bezirken statt. Ziel war es, eine Empfehlung darüber abzugeben, welche Projektideen mit den vorhandenen finanziellen Mitteln je Bezirk (Margareten: 1,1 Mio. €, Simmering: 2,08 Mio. € und Ottakring 2,06 Mio. €) umgesetzt werden sollen. Die Sieger-Projektideen sind ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe (Mitte Dezember 2022) auf der Beteiligungsplattform einsehbar.

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Wird zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt, da der Prozess noch nicht abgeschlossen ist.

Auftraggeber:in

Stadt Wien – Geschäftsgruppe Klima, Umwelt, Demokratie und Personal

Prozessbegleitung und -beratung

Die Leitung und Durchführung des Projektes obliegt der Magistratsabteilung 20 – Energieplanung.
Der Prozess wird begleitet von den Beteiligungsagenturen Dialog Plus und PlanSinn in den Phasen 0 – 3, SORA und Democratic Society für die Phase 4 sowie die Kommunikationsagentur P&B und Stadt Wien Marketing in allen Phasen.

Kosten und Finanzierung

Das Gesamtbudget für die beiden Pilotjahre beträgt 13 Mio. Euro. Darin sind neben den Prozess- und Verwaltungskosten das Umsetzungsbudget von 20€/Einwohner:in je Bezirk enthalten.



Ansprechpartner:in

Projektleiterin. Expertin für Beteiligung, Governance und Innovation (Stadt- und regionalplanerin)

Wencke Hertzsch

Stadt Wien
MA 20 – Energieplanung
Rathausstraße 14-16
1010 Wien
+43 1 4000 88320