Anwendungsfeld

Bauen und Sanieren

©Kurt Hörbst/Gemeindeamt Zwischenwasser – Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit 2017

Gebäude dienen vielfältigen Zwecken, wie etwa Wohnen, Arbeiten, Bildung, Freizeitgestaltung. Unterschiedliche Bedürfnisse der Nutzer:innen, die an die gebaute Umgebung gestellt werden, können dann am besten erfüllt werden, wenn bei Planung und Errichtung ihre Anforderungen bekannt sind und in die Gestaltung einfließen können. In modernen westlichen Gesellschaften verbringen Menschen einen Großteil ihres Lebens in Gebäuden. Umso wesentlicher scheint daher die Forderung, Nutzer:innen in die Planung und Errichtung von Gebäuden bestmöglich einzubeziehen.

In der Realität steht oft die quantitative Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen im Vordergrund. Viele Gebäude werden errichtet, ohne dass zukünftige Bewohner:innen bzw. Nutzer:innen überhaupt bekannt sind. Die Möglichkeit der Mitbestimmung beschränkt sich im Wohnungsbau dann oft auf die Wahl von Bodenbelägen, Fliesen oder andere Details. Bedingt durch den demografischen und gesellschaftlichen Wandel differenzieren sich die Anforderungen potenzieller Bewohner:innen aber immer stärker, sei es im Hinblick auf Haushaltsformen, Lebens- und Arbeitsstile (insbesondere seit der Corona-Pandemie z. B. verstärkter Trend zum Home-Office) oder Wohnkulturen. Umso wichtiger ist es, Nutzer:innen in die verschiedenen Phasen im Lebenszyklus eines Gebäudes und seines Umfelds miteinzubeziehen.

Zunehmend an Bedeutung gewinnt in den letzten Jahren Partizipation in Zusammenhang mit der notwendigen Sanierung und Dekarbonisierung des Gebäudebestands. In Österreich ist der Gebäudesektor für 11,7% der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Der Europäische Green Deal sieht vor, dass die THG-Emissionen bis 2030 um mindestens 55% reduziert werden. Dazu muss auch der Gebäudesektor beitragen, indem Häuser und Wohnungen energetisch saniert und von fossilen auf erneuerbare Heizsysteme umgestellt werden. Was bereits im Einfamilienhaus-Bereich nicht immer einfach ist, wird im mehrgeschossigen Wohnbau erst recht zu einer Herausforderung. Ein dezentrales Heizsystem – wie die im urbanen Raum weit verbreitete Gasetagenheizung – zu zentralisieren, um z. B. eine Wärmepumpe zu installieren, bedeutet für Bewohner:innen u. a. Bauarbeiten in der eigenen Wohnung zu dulden. Sowohl Eigentümer:innen als auch Mieter:innen benötigen aktuell zum einen gut aufbereitete Informationen zu erneuerbaren Energie- und Wärmesystemen, zum anderen braucht es moderierte, dialogische Formate, die bei Entscheidungsfindungen unterstützen. Zu erwartende neue rechtliche Rahmenbedingungen, wie z. B. das Erneuerbare-Wärme-Gesetz samt notwendigen wohnrechtlichen Ableitungen, stellen darüber hinaus für alle Stakeholder im Bereich Wohnen – Bewohner:innen, Vermieter:innen, Hausverwaltungen, Bauträger etc. – eine Herausforderung dar, welche am besten partizipativ-dialogisch bewältigt werden sollte.