EU-Ebene

Brussels
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Die Klage über die Bürger:innen-Ferne der EU und das Bemühen um Strukturen, die den Bürger:innen der Mitgliedsstaaten Partizipation ermöglichen und erleichtern, ist beinahe so alt wie die Europäische Union selbst. So thematisiert z. B. das Weißbuch „Europäisches Regieren„ aus dem Jahr 2001 die Problematik, dass einerseits große Hoffnungen und Erwartungen an die EU gestellt werden, andererseits jedoch viele EU-Bürger:innen keinen Bezug zur EU-Politik haben. Das Weißbuch entwickelte Ansätze, wie diese Kluft überwunden werden kann, und schlägt vor, die politische Entscheidungsfindung zu öffnen und mehr Menschen und Organisationen in die Gestaltung und Durchführung der EU-Politik einzubinden. Darüber hinaus plädierte das Weißbuch für mehr Offenheit sowie für eine größere Verantwortung und Rechenschaftspflicht aller Beteiligten.

Seither wurde eine Reihe von Beschlüssen, Programmen und Initiativen in die Umsetzung gebracht – von der Europäischen Bürgerinitiative über die EU-Bürgerdialoge bis zur 2021 gestarteten Konferenz über die Zukunft Europas.

European Citizens‘ Initiative – Europäische Bürgerinitiative

Der Vertrag von Lissabon (13. Dezember 2007) enthält die erste Regelung zur partizipativen Demokratie in der EU, die es Bürger:innen unterschiedlicher Staaten erlaubt, gemeinsam ihre Stimme zu erheben: die Europäische Bürgerinitiative (EBI). Nach der Annahme des Lissaboner Vertrags machte sich die Europäische Kommission an die konkrete Ausgestaltung der EBI, einem Volksbegehren auf EU-Ebene, das die Europäische Kommission auffordern kann, eine Gesetzesinitiative zu ergreifen.

Zur Mitgestaltung an diesem Instrument der politischen Partizipation wurde eine Konsultation eingeleitet – auf Basis des im November 2009 veröffentlichten „Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative„. Am 15.12.2010 hat das Europäische Parlament dann eine Verordnung zur Umsetzung der EBI beschlossen, nachdem dies zuvor bereits der EU-Ministerrat und die EU-Kommission getan hatten.

EBI – Ablauf

Um eine Initiative starten zu können, muss zunächst eine Organisator:innengruppe gebildet werden, der mindestens 7 EU-Bürger:innen angehören müssen, die wiederum in mindestens 7 verschiedenen EU-Ländern leben. Es ist dabei nicht erforderlich, dass sie auch sieben verschiedenen Nationalitäten angehören. Jede Initiative muss von mindestens 1 Million gültigen Unterschriften unterstützt werden. Die Unterzeichner:innen müssen in mindestens 7 EU-Ländern beheimatet sein. In jedem dieser Mitgliedsstaaten wird die Mindestanzahl der benötigten Unterschriften nach einem festgelegten Schlüssel berechnet. Geplante Initiativen müssen in einem von der EU-Kommission bereitgestellten Online-Register registriert werden. Diese Registrierung kann verweigert werden, wenn die Initiative eindeutig gegen die grundlegenden Werte der EU gerichtet ist oder die Kommission den angeregten Rechtsakt nicht vorschlagen kann, weil die Initiative außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs liegt.

Die Unterstützungserklärungen können in Papierform oder elektronisch gesammelt werden. Nach der Registrierung des Vorschlags durch die Kommission steht den Organisator:innen ein Jahr zur Verfügung, um die erforderlichen Unterschriften zu sammeln.

Sobald die Unterschriften gesammelt und von den Mitgliedstaaten geprüft wurden, muss die Bürgerinitiative der EU Kommission vorgelegt werden. Diese muss dann innerhalb von drei Monaten die Zulässigkeit prüfen. In der Zwischenzeit haben die Organisator:innen die Gelegenheit, ihr Anliegen im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor dem Europäischen Parlament vorzubringen. Spätestens sechs Monate nach Einbringung teilt die Kommission mit, ob sie basierend auf der Bürger:inneninitiative einen Vorschlag für eine neue Rechtsvorschrift einbringen wird oder nicht.

Konferenz zur Zukunft Europas

Im Mai 2021 startete die „Konferenz zur Zukunft Europas„, die allen EU-Bürger:innen die Möglichkeit bieten will, Herausforderungen und Prioritätensätzungen europäischer Politik zu diskutieren und die künftige Entwicklung mitzugestalten. Das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission haben sich gemeinsam verpflichtet, Inhalte und Ergebnisse der Konferenz im Rahmen ihrer Zuständigkeiten weiterzuverfolgen. Die „Konferenz zur Zukunft Europas„ besteht aus mehreren Bestandteilen:

  • Mehrsprachige digitale Plattformen: Hier können Bürger:innen ihre Ideen austauschen und eigene Beiträge hochladen. Diese werden während der gesamten Laufzeit der Konferenz gesammelt, analysiert und veröffentlicht.
  • Dezentrale Veranstaltungen: Bürger:innen, Organisationen sowie nationale, regionale und lokale Behörden in ganz Europa richten dezentrale Veranstaltungen aus, die in virtueller oder hybrider Form oder als Präsenzveranstaltungen stattfinden.
  • Europäische Bürger:innenforen: Im Rahmen dieser Foren werden verschiedene Themen erörtert, wobei die von Bürger:innen über die digitale Plattform eingereichten Beiträge als Grundlage dienen. Ihre Zusammensetzung soll in Bezug auf geografische Herkunft, Geschlecht, Alter, sozioökonomischen Hintergrund und/oder Bildungsniveau der Teilnehmenden repräsentativ sein.
  • Plenarversammlung der Konferenz: Hier wird sichergestellt, dass die im Rahmen der nationalen und europäischen Bürger:innenforen geäußerten Empfehlungen nach Themen geordnet und ergebnisoffen erörtert werden, ohne dass sich die Debatte dabei auf vorab bestimmte Politikbereiche beschränkt.
    Eine Plenarversammlung der Konferenz setzt sich gleichberechtigt aus Vertreter:innen des Europäischen Parlaments, des Rates und der Europäischen Kommission sowie aus Vertreter:innen aller nationalen Parlamente und aus Bürger:innen zusammen. Auch der Ausschuss der Regionen, der Wirtschafts- und Sozialausschuss, die Sozialpartner und die Zivilgesellschaft werden vertreten sein. Bei Diskussionen über die internationale Rolle der Union wird ferner der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik hinzugezogen.
    Ein Exekutivausschuss wird dafür zuständig sein, die Schlussfolgerungen der Plenarversammlung auszuarbeiten und zu veröffentlichen.

Das Themenspektrum der „Konferenz zur Zukunft Europas„ ist breit gestreut, es findet sich darunter u. a.: Aufbau eines gesunden Kontinents, Bekämpfung des Klimawandels und Bewältigung der ökologischen Herausforderungen, eine Wirtschaft im Dienste der Menschen, soziale Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität zwischen den Generationen, der digitale Wandel Europas, Herausforderungen im Bereich der Migration und Stärkung der demokratischen Prozesse der Europäischen Union.