Inklusion und Beteiligung

Inklusion und Beteiligung. „Alle, die hier sind, sind von hier„ Copyright by Barbara Ruhsmann

Jeder Mensch hat das gleiche Recht, sich an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – von Anfang an und unabhängig von individuellen Fähigkeiten, kultureller, ethnischer oder sozialer Herkunft, Religion, Geschlecht, Alter oder sexueller Orientierung.

Und dennoch: Es gibt ein Drinnen und Draußen in unserer Gesellschaft, Zentren und Ränder. Wie kommen sie zustande? Wer ist drinnen und wer draußen? Wer schließt aus oder durch welche Mechanismen werden Einschluss und Ausschluss bewirkt? Diese Fragen wurden lange im Kontext von „Integration“ diskutiert, seit einigen Jahren aber mehr und mehr im Rahmen von „Inklusion“. Der Begriff Inklusion geht über den der Integration hinaus, der mit seiner oft defizitorientierten Verwendung problematisch ist.

„Ist mit Integration die Eingliederung von bisher ausgesonderten Personen gemeint, so will Inklusion die Verschiedenheit im Gemeinsamen anerkennen, d.h., der Individualität und den Bedürfnissen aller Menschen Rechnung tragen. Die Menschen werden in diesem Konzept nicht mehr in Gruppen (z. B. hochbegabt, behindert, anderssprachig) eingeteilt. Während im Begriff Integration noch ein vorausgegangener gesellschaftlicher Ausschluss mitschwingt, bedeutet Inklusion Mitbestimmung und Mitgestaltung für alle Menschen ohne Ausnahme. Inklusion beinhaltet die Vision einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder in allen Bereichen selbstverständlich teilnehmen können und die Bedürfnisse aller Mitglieder ebenso selbstverständlich berücksichtigt werden. Inklusion bedeutet davon auszugehen, dass alle Menschen unterschiedlich sind und dass jede Person mitgestalten und mitbestimmen darf.“ (aus: Walter Krög: Herausforderung Unterstützung. Perspektiven auf dem Weg zur Inklusion 2005)

Es ist zentral, Fragen der Inklusion am Beginn jedes partizipativen Prozesses mitzudenken, um am Ende auch wirklich ganzheitliche Lösungen für Aufgabenstellungen zu finden. Die großen und komplexen Krisen unserer Zeit – allen voran die Klimakrise – können nur bewältigt werden, wenn möglichst alle Menschen zum Mittun eingeladen und erreicht werden.

Inklusive Beteiligung braucht um zu gelingen allerdings entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen, z. B. für:

  • Dolmetsch-Leistungen, um Menschen mit verschiedenen Herkunftssprachen die Teilnahme zu ermöglichen (das beginnt bereits bei der Erstellung von mehrsprachigen Einladungen und Info-Materialien)
  • aufsuchende Beteiligung, um Menschen dort zu erreichen, wo sie sich regelmäßig aufhalten (Parks, Schulen, Pensionist:innenklubs, Jugendzentren, religiöse Einrichtungen etc.)
  • Los-Verfahren, wie sie z. B. bei Bürger:innenräten angewendet werden, um ein annähernd repräsentatives Sample der Bevölkerung zu Beratungen zu versammeln
  • Barrierefreiheit, um behinderten Menschen die Teilnahme zu erleichtern. Zum Beispiel durch Rollstuhl-gerechte Zugänge, Gebärdendolmetsch, Induktionsschleifen etc., aber auch durch die Adaption der angewandten Methoden (z. B. Verkürzung der zeitlichen Intervalle, um auf unterschiedlich große Konzentrationsspannen einzugehen; Arbeit mit visuellen, gestischen und sprachlichen Ausdrucksformen gleichermaßen etc.)
  • Angebot für Kinderbetreuung vor Ort
  • erweitertes Betreuungsangebot für pflegebedürftige Angehörige bzw. Übernahme der Betreuungskosten für die Zeit der Teilnahme am Beteiligungsprojekt
  • interkulturelle, diverse Projektteams

Als übergeordnete Strategie für inklusive Beteiligung hat sich der Begriff des Tailoring etabliert. Darunter versteht man, dass alle Botschaften, Maßnahmen und Aktivitäten an Besonderheiten und Bedürfnisse der unterschiedlichen Zielgruppen angepasst werden.

Bemühungen um Inklusion sind kein verzichtbarer Luxus, sondern auch essenziell zur Stärkung der Demokratie. Bei den österreichischen Nationalratswahlen im September 2024 besaß z. B. jeder fünfte in Österreich lebende Mensch aufgrund fehlender Staatsbürgerschaft kein Wahlrecht. Besonders hoch ist der Anteil der Nicht-Wahlberechtigten in Städten, in Wien lag er bei 35%. Wenn eine zunehmende Zahl an Menschen sich nicht aktiv an demokratischen Prozessen wie Wahlen beteiligen kann, verstärkt das Gefühle des Nicht-Dazugehörens und auch fehlender Verantwortlichkeit für das Gemeinwesen. Dem müssen und können inklusive partizipative Prozesse entgegenwirken, indem sie alle Menschen in einem Bezirk, einer Gemeinde, einer Stadt oder einem Land einladen, sich an der Gestaltung der Gesellschaft und ihres Lebensumfeldes zu beteiligen.