Methode

Soziokratie

ANZAHL DER BETEILIGTEN
Kleine Gruppe (bis ca. 15 Personen)
Mittlere Gruppen (ca. 15-30 Personen)
Größere Gruppen (ab ca. 30 Personen)
DAUER DER DURCHFÜHRUNG
Weniger als 1 Tag
1 Tag bis max. 1 Woche
Einige Wochen
Einige Monate

Variabel – eine Sitzung bis permanente Organisationsform
STUFE DER BETEILIGUNG
Mitbestimmung
FORM DER BETEILIGUNG
Analog
Digital
ZWECK DER DURCHFÜHRUNG
Gemeinsam planen und entwickeln, Meinungen / Reaktionen einholen, Längerfristig zusammenarbeiten
FÜR KONFLIKT GEEIGNET
Nein

Allgemein

Soziokratie (lat. socius = Gefährte, griech. kratein = regieren) bedeutet „Wir entscheiden gemeinsam“, d. h. die Gleichwertigkeit aller Beteiligten steht hier im Vordergrund. Die bekannteste soziokratische Organisationsform und Moderations-Methode ist die Soziokratische Kreisorganisationsmethode (SKM). Beide Begriffe werden auch oft synonym verwendet. Die wichtigsten Prinzipien sind, dass nur dann eine Entscheidung getroffen wird, wenn keine:r der Anwesenden einen schwerwiegend begründeten Einwand hat (= Konsentprinzip oder Kein-Einwand-Prinzip), und dass alle in einem Kreis zur Entscheidung beitragen.

Die SKM wurde in den Niederlanden von Gerard Endenburg auf der Grundlage der Soziokratie-Ideen des Sozialreformers Kees Boeke entwickelt.

Ablauf

Die vier Grundprinzipien der SKM sind:

1.

Das Konsentprinzip

Eine Entscheidung gilt dann, wenn kein:e Teilnehmer:in einen schwerwiegenden und argumentierten Einwand gegen einen zu fassenden Beschluss hat (ist kein Vetorecht, sondern das Aushandeln auf der Basis von nachvollziehbaren Argumenten).

Konsent ist nicht Konsens. Konsent heißt nicht „Ja, ich stimme zu!“, sondern „Ich habe keinen schwerwiegenden Einwand dagegen“. Ein solcher Beschluss wird in dem Kreis gemeinsam und kreativ auf der Basis von Argumenten gefunden und liegt dann innerhalb des Toleranzbereiches jedes:r Mitwirkenden im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel.

2.

Die Organisation in Kreisen

Ein Kreis ist eine Gruppe von Menschen, die regelmäßig zusammenkommen und ein gemeinsames Ziel erreichen wollen. In diesem Kreis werden alle Grundsatzentscheidungen getroffen, ausgeführt und ihre Zielerreichung gemessen.

3.

Doppelte Koppelung der Kreise (soziokratisches Organisationsmodell)

Die Verbindung zwischen zwei Kreisen besteht aus einer doppelten Verknüpfung. Zum Einen wird von oben, also vom nächst höheren Kreis, ein:e Leiter:in bestimmt. Zum Anderen wird von unten, also im eigenen Kreis, ein:e Delegierte:r gewählt. Beide Personen sind Teil des eigenen Kreises und des nächst höheren Kreises und so auch in beiden Kreisen an der Beschlussfassung beteiligt. Sie stellen den Kommunikationsfluss zwischen beiden Kreisen sicher und vertreten die Interessen der Mitglieder des einen Kreises im jeweils anderen.

4.

Die soziokratische Wahl von Personen

Vor einer soziokratischen Wahl wird zunächst eine Rollenbeschreibung der (neu) zu besetzenden Funktion konsentiert (in der Regel z.B. Kreisleitung oder Delegierte:r, aber auch für jede andere gemeinsam definierte Rolle können Personen gewählt werden). Anschließend wird in offener Besprechung und mit Konsent gewählt.

Soziokratische Moderation der Kreissitzung kann auch als eigenständige Methode betrachtet werden, die folgende Elemente beinhaltet:

1.

Einstimmen und Reflektieren

Bei jeder Sitzung gibt es eine Ankommensrunde (wir kommen im Kreis an und stimmen uns ein) und eine Abschlussrunde (wir reflektieren die Effektivität des Treffens).

2.

Jede:r kommt zu Wort

Die Beteiligten reden nacheinander im Kreis und nicht in offener Diskussion (Vorteil: Jede:r wird gehört und kann in der nächsten Runde dazukommende Gedanken ergänzen).

3.

Klare Struktur durch Unterteilung in Runden

  1. Bildformende Runden: Sammlung aller relevanten Informationen zu einem Thema und klären von Verständnisfragen
  2. Meinungsformende Runden (jeder äußert seine Meinung zum Thema und es werden mögliche Lösungsvorschläge gesammelt)
  3. Konsentrunden (Beschlussfassung bzw. Suche nach einem Beschluss ohne schwerwiegenden Einwand)
4.

Prinzipien der soziodemokratischen Moderation

  • Alle Beteiligten haben die gleichen Möglichkeiten der Mitsprache und jedes Argument zählt (Gleichwertigkeit der Beteiligten – Primat des Arguments)
  • Einwände werden als noch nicht gehörte Argumente von der Moderation umgewandelt und konstruktiv verwendet
  • Moderation und Kreismitglieder sind gemeinsam verantwortlich für das Gelingen der Entscheidungsfindung

Organisatorisches

Die Teilnehmer:innen sitzen in der Regel in einem Stuhlkreis oder um einen Tisch. Die Moderation sorgt dafür, dass der Reihe nach gesprochen wird und jede:r gehört wird. Hierfür kann optional auch ein Redegegenstand verwendet werden (nur die Person, die den Gegenstand in den Händen hält, redet).

Für Online-Meetings braucht es ein Videokonferenztool. Hier bietet sich eine Redeliste an, die in den Chat gepostet wird, sodass alle Orientierung haben, wann sie an der Reihe sind.

Zu beachten

  • Der:Die Moderator:in arbeitet sehr stark lösungsorientiert. Er:Sie kann auch Gruppenmitglied sein.
  • Organisation und Soziokratie müssen zusammenpassen: Soziokratie fördert ein kooperatives Miteinander, Eigenmotivation, Selbstverantwortung und verändert langfristig die Organisationskultur. Das Argument zählt und nicht die Position der Beteiligten; Herrschaftshierarchien werden zu funktionalen Hierarchien verändert.
  • Möchte eine Organisation von ihrer bisherigen Entscheidungsstruktur auf die SKM umsteigen, so müssen v. a. auch die bisherigen Führungskräfte daran Interesse haben und aktiv an der Umsetzung mitarbeiten.

Abwandlungen

Die SKM ist die bekannteste und in Österreich am weitesten verbreitete soziokratische Organisationsform und Moderationsmethode. Es gibt aber auch andere Methoden, die die Gleichwertigkeit aller Beteiligten in der Beschlussfassung sicherstellen und die somit auch als soziokratisch gelten. Z. B.:

  • Soziokratie 3.0
  • Systemisches Konsensieren (wird v. a. bei großen Gruppen und bei mehreren gleichwertigen Vorschlägen angewendet).
  • Auch die basisdemokratische Methode „Konsens-Prinzip“ wurde ausgehend von der Ökodorf-Bewegung im Global Ecovillage Network zu einem soziokratischen Instrument weiterentwickelt.

Weiterführende Informationen