Hitzewellen, Dürren, Starkregen, Tornados – Wetter-Extremereignisse häufen sich und machen klar: Die Klimakrise ist in vollem Gange, sie ist keine Angelegenheit der fernen Zukunft mehr. Wurde in früheren Jahrzehnten das Thema Klimaschutz vor allem mit Naturschutz verbunden, wird nun unter dem Eindruck verheerender Katastrophen, die mittlerweile jeden Kontinent und jedes Land dieser Welt treffen, immer deutlicher, dass Klimaschutz unumgänglich ist, will man die Lebensgrundlagen der Menschheit erhalten.
Die erste umfassende und rechtsverbindliche weltweite Klimaschutzvereinbarung wurde 2015 auf der Pariser Klimakonferenz (COP21) beschlossen. Die Staaten einigten sich auf rasche CO2-Emissionssenkungen und das Ziel, in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts „Klimaneutralität„ zu erreichen – durch ein Gleichgewicht zwischen Emissionen und Abbau. Der globale Temperaturanstieg sollte auf 1,5°C begrenzt werden. In der Europäischen Union haben daraufhin nicht nur die einzelnen Mitgliedsländer nationale Aktionspläne (NDCs – Nationally Determined Contributions) für die Reduzierung ihrer Emissionen erarbeitet, auch die EU selbst legte 2020 ihre aktualisierten NDCs vor, wonach die Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent reduziert werden sollen. Als Ziel gab die Europäische Kommission aus, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen.
Dabei ist derEuropean Green Deal die konzeptuelle Grundlage für die dafür notwendige Umgestaltung von Gesellschaft, Wirtschaft, Arbeits- und Lebenswelten. Im Sommer 2021 stellte die Europäische Kommission dazu unter dem Titel Fit for 55 u. a. folgende Vorschläge zur Debatte:
Ausbau erneuerbarer Energieträger und Steigerung der Energieeffizienz
Pflicht zum Kauf von CO2-Verschmutzungsrechten für Sprit, Heizöl und Gas ab 2026
Einbezug der Sektoren Gebäude und Verkehr in den Emissionshandel
Ausschließlich emissionsfreie Neuwagen ab 2035
Bedeutung von Partizipation im Feld Klimaschutz
Klimaschutzmaßnahmen sind dringend notwendig. Doch trotz fundierter wissenschaftlicher Fakten und eines immer größeren Bewusstseins für den Klimaschutz klafft die Schere zwischen den top-down verordneten Klimazielen und ihrer Implementierung auf nationaler bzw. lokaler Ebene weit auseinander. Jede und jeder trägt zur globalen Erwärmung bei – durch Konsumverhalten und einen mehr oder weniger ressourcenintensiven Lebensstils. Die Klimarelevanz des persönlichen Verhaltens heißt allerdings auch: alle können sich aktiv am Klimaschutz beteiligen.
Die Spielräume dafür reichen von der Beteiligung an Klimaschutzorganisationen und -kampagnen über das kritische Einbringen bei politischen Entscheidungsprozessen bis hin zur persönlichen Verhaltensänderung. Nur durch entschlossenes Handeln und viele Schritte, die gleichzeitig von vielen Menschen getan und getragen werden müssen, ist es möglich, die Klimaziele zu erreichen. Auffallendes Phänomen der vergangenen Jahre war, dass auf starke bottom-up-Bewegungen, wie Fridays for Future oder auf direktdemokratische Initiativen wie das Klimavolksbegehren in Österreich 2020, Regierungen verstärkt mit partizipativen Formaten wie Klimabürgerräten reagierten – zuletzt auch Österreich mit dem „Klimarat der Bürgerinnen und Bürger„.
Am 20. August 2018 stellte sich die Schülerin Greta Thunberg vor den Schwedischen Reichstag und begann mit ihrem Schulstreik für das Klima. Über Monate hinweg setzte Thunberg ihren Streik jeweils an Freitagen fort. Ein knappes Jahr später war aus ihrer Aktion mit Fridays for Future eine weltweite Protestbewegung Jugendlicher geworden. Es folgte die Gründung zahlreicher begleitender Bewegungen, wie „Scientists for Future„ oder „Parents for Future„. Die Forderungen reichen von sofort beginnender, mindestens linearer Absenkung der Treibhausgasemissionen über die Verankerung von Klimaschutz in der Verfassung bis zum Ausstieg aus fossilen Energiequellen bis 2030. Der „Fridays-for-Future„-Bewegung gelang es in kurzer Zeit, große Öffentlichkeit für ihre Anliegen zu generieren und damit einhergehend auch entsprechenden Druck auf nationale und internationale Politiken auszuüben.
Etwa zeitgleich formte sich, von Großbritannien ausgehend, Extinction Rebellion (XR), eine Umweltschutzbewegung, die sich dem Kampf gegen das Massenaussterben von Tieren und Pflanzen und dem Kampf gegen das mögliche Aussterben der Menschheit durch die Klimakrise verschrieben hat. XR setzt in ihren Aktionen auch auf Mittel des zivilen Ungehorsams. Eine ihrer drei Leitforderungen heißt „beyond politics„ – Politik neu leben: XR fordert eine partizipative Demokratie, in regelmäßig einberufenen Bürger:innenversammlungen sollen Lösungen für die Klimakrise erarbeitet werden. Links: Fridays for Future Austria Extinction Rebellion Österreich
380.590 Österreicher:innen unterschrieben 2020 das Klimavolksbegehren, das folgenden Wortlaut hatte: „Wir spüren die Auswirkungen der Klimakrise schon jetzt! Unsere Gletscher verschwinden, unsere Äcker und Wälder vertrocknen, die Hitze belastet uns alle. Wir müssen Österreich vor drohenden Milliardenkosten, Artensterben und Gesundheitsgefahren bewahren. Unsere Kinder verdienen eine lebenswerte Heimat. Darum fordern wir (verfassungs-)gesetzliche Änderungen, die Klimaschutz auf allen Ebenen ermöglichen und leistbar machen.“
Die Forderungen des Volksbegehrens wurden in zwei Sitzungen des parlamentarischen Umweltausschusses öffentlich diskutiert. Es folgte ein Antrag der Regierungsparteien, in dem zahlreiche Forderungen aufgegriffen wurden, und mit dessen Annahme u.a. die verfassungsrechtliche Verankerung eines wissenschaftlichen Klimabeirats, die Einrichtung eines Klima-Bürger:innenrats und die Prüfung eines Grundrechts auf Klimaschutz in der Verfassung beschlossen wurde.
Neben diesem aktuell in Österreich prominentesten Beispiel für eine direktdemokratische Initiative nutzen NGOs, Bürger:innen-Initiativen und andere Akteur:innen auch verstärkt die Möglichkeit, Klimaschutz via Petitionen auf den entsprechenden Plattformen von Bund und Ländern einzufordern. Links: Klimavolksbegehren Aktuelle WWF-Petitionen Aktuelle Greenpeace-Petitionen
In Frankreich waren es nicht Bewegungen, die für radikalere Klimapolitik eintraten, welche die Regierung bewegten, einen Klimabürger:innenrat einzuberufen, sondern landesweite Proteste der sogenannten „Gelbwesten„, die gegen eine ursprünglich geplante CO2-Steuer protestierten. In Reaktion darauf berief Präsident Macron die „Convention Citoyenne pour le Climat„ (Oktober 2019-Juni 2020) ein. 150 repräsentativ geloste Bürger:innen aus dem ganzen Land tagten über neun Monate hinweg sieben Mal und erarbeiteten 150 Vorschläge für die Klimapolitik.
In Deutschland war die Ausgangslage beim „Bürgerrat Klima„ anders: er wurde nach einem Anstoß von „Scientists for Future„ zivilgesellschaftlich organisiert und finanziert. Von April bis Juni 2021 erarbeiteten 160 Bürger:innen Empfehlungen u. a. zu den Handlungsfeldern Energie, Mobilität, Gebäude und Wärme, Ernährung.
Im Rahmen von Lokale-Agenda-21-Prozessen oder im Bereich der Klima- und Energiemodellregionen erarbeiten Gemeinden und Regionen zunehmend eigene Klima(schutz)strategien in partizipativen Prozessen, an denen Bürger:innen, Repräsentant:innen aus Politik und Verwaltung, Wirtschaftstreibende und lokale Initiativen beteiligt sind.