Projektbeschreibung
20 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Vorarlberg kamen für ein Wochenende zusammen um folgende Frage zu diskutieren: „Was brauchen wir heute von der Schule? Wie können wir gemeinsam positive Veränderungen unterstützen?„“. Es wurden Erkenntnisse erarbeitet, die bei einem Bürger:innencafé der breiten Öffentlichkeit und Vertreter:innen aus der Politik präsentiert und durch diese ergänzt wurden. Außerdem bestand im Rahmen einer vorab durchgeführten Online-Umfrage auch für die Gesamtbevölkerung die Möglichkeit, sich einzubringen. Darüber hinaus fanden vier Workshops mit Schüler:innen statt. Ihre Empfehlungen für die Schule von Morgen, sowie die Ergebnisse der Online-Umfrage wurden den gelosten Bürger:innenräten vorab weiter gegeben.
Anlass und Hintergrund
In Vorarlberg haben Bürger:innenräte (Methode: Wisdom Council) eine lange Tradition und werden gerne als Instrument von der Politik genutzt. Besonders ist aber, dass sie auch „von unten” initiiert werden können, wenn über 1000 Vorarlberger:innen eine Forderung danach unterzeichnen. Der hier beschriebene Bürger:innenrat ist durch das Engagement einer Initiativgruppe, bestehend aus dem Landeselternverband Vorarlberg, dem Vorarlberger Familienverband und der Landesschüler:innenvertretung Vorarlberg, entstanden. Ihr Wunsch liegt darin, die Auffassungen und Vorschläge der Einwohner:innen Vorarlbergs zur Weiterentwicklung des Schulsystems zu erfassen.
Ziel(e)
Die Fragestellung, zu der die Rät:innen diskutieren, lautet: Was brauchen wir heute von der Schule? Wie können wir gemeinsam positive Veränderungen unterstützen? Die Themen, die damit adressiert werden sollen sind u.a. Entwicklungsbedarf des Systems Schule, zukunftsfähige Rahmenbedingungen im Bereich Schule, gleiche Bildungschancen für alle, Entlastung von Lehrpersonen sowie Reduktion von psychischen Belastungen von Kindern und Jugendlichen. Zur Ausgangsituation gehört aber auch, dass wir jetzt und auch zukünftig vor völlig neuen Herausforderungen stehen, die nur gemeinsam gelöst werden können. Dahinter steckt die Frage, wie und welche Veränderungen und Innovationen jetzt notwendig und möglich sind, die eine spürbare Verbesserung für die Betroffenen forciert. Mehr dazu auf der Website der Bürger:innen-Initiative.
Prozessdesign und Ablauf
Der Bürger:innenratsprozess nach dem Vorarlberger Modell gliedert sich in mehrere Prozessschritte und mündet in dem Beschluss der Dokumentation durch die Landesregierung.
1. Bürger:innenrat
Nach einem internen Kick-Off und der Organisation startet der Prozess mit dem Eineinhalbtägigen Bürger:innenrat, bei dem sich 20 zufällig gewählte Bürgerinnen und Bürger intensiv mit dem Thema „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit“ beschäftigten. Der Bürger:innenrat wurde mit der Methode Dynamic Facilitation moderiert.
2. Bürger:innencafé
Die Ergebnisse wurden von den Teilnehmenden des Bürger:innenrates öffentlich bei dem Bürger:innencafé im vorarlberg museum (Bregenz) präsentiert. Begrüßungsworte erfolgten durch die Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink. Rund 100 Personen nahmen an der Veranstaltung teil, tauschten sich über die Ergebnisse aus und reicherten die Ergebnisse durch weitere Perspektiven an.
3. Onlinekonsultation
Um auch weiteren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Mitsprache zu ermöglichen, gab es eine vorab durchgeführte Online-Umfrage. Außerdem wurden sämtliche Inhalte aus den bisherigen Prozessschritten auf einer Online- Plattform transparent und zugänglich gemacht.
4. Resonanzgruppe
Wie auch beim Kick-off wurden relevante Stakeholder und Vertreter:innen des Bürger:innenrats zum Treffen der Resonanzgruppe eingeladen. In einem vorgeschalteten Beteiligungsprozess wurden die Teilnehmenden eingeladen auf Basis der vorgestellten Ergebnissen beim Bürger:innencafé konkrete Maßnahmen abzuleiten. Wir haben daher zur Ideen- und Maßnahmensammlung eingeladen. Im Anschluss daran erfolgte eine Priorisierung dieser Ideen. Beim Treffen der Resonanzgruppe wurden dann aus den vorgestellten Themencluster im gemeinsamen Austausch konkrete Umsetzungsmaßnahmen erarbeitet, die nun weiterverfolgt werden. Zudem erfolgt eine Sammlung von Anknüpfungspunkten von aktuellen Maßnahmen zu den Ergebnissen, die bereits in Planung sind oder baldigst in Umsetzung kommen.
5. Rückmeldung der Landesregierung
Die Ergebnisse der vorherigen Prozessschritte werden in einer Dokumentation gesammelt und den Teilnehmenden sowie der Landesregierung vorgelegt. Die Landesregierung behandelt die übermittelten Vorschläge. Im Anschluss erhalten die Bürger:innen eine Rückmeldung darüber, wie mit den Ergebnissen umgegangen wird.
Ergebnisse des Beteiligungsprozesses
Es wurden Ideen und konkrete Vorschläge zum Thema „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit“ in Vorarlberg von den Teilnehmenden gemeinsam erarbeitet und in einer Dokumentation zusammengefasst. In folgenden 6 Themenfelder sind entstanden:
- Gesellschaftliche Verantwortung
- Bildungsauftrag
- Politik- und Rahmenbedingungen
- Kinder und Jugendliche
- Lehrer:innen
- Eltern
Die 6 Haupterkenntnisse aus dem Bürger:innenrat und dem Bürger:innencafé wurden auf einer Online-Plattform dargestellt. Diese Ergebnisse werden von der Landesregierung geprüft und in bestehende Maßnahmen eingepflegt bzw. für die Erarbeitung neuer Maßnahmen herangezogen. Eine öffentliche Rückmeldung wird auf https://vorarlberg.at/buergerrat zu lesen sein.
Zudem wurde bei den Teilnehmenden Bewusstsein geschaffen und durch die öffentliche Diskussion und breite Berichterstattung wurde die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert.
Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten
Mit dem Bürgerratsprozess „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit“ wurden folgende Wirkungen angestrebt:
- Beispielgebender Prozess zum Thema Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit: Mit der Moderationsmethode (Dynamic Facilitation) und partizipativen Veranstaltungsformaten wird ein Diskussionsniveau erreicht, das sich durch Wertschätzung und Respekt gegenüber unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkten auszeichnet. Das Verbindende steht im Vordergrund, Konfliktthemen können konstruktiv erörtert werden. Unterschiedliche Akteur:innengruppen haben im Laufe des Prozesses Möglichkeiten sich einzubringen.
- Maßnahmen rundum die Verbesserung des Systems Schule und wie können wir gemeinsam positive Veränderungen unterstützen? Die Empfehlungen aus dem Bürger:innenrat werden aufgegriffen und auf ihre Umsetzungsmöglichkeiten (Resonanzgruppe) geprüft. Die Vorarlberger Landesregierung setzt noch stärkere Beteiligungsmaßnahmen und einen Fokus auf den Dialog mit Bürger:innen.
- Ideen und konkrete Vorschläge zur bedarfsorientierten zukünftigen Gestaltung des Systems Schule in Vorarlberg aus Sicht der Bürger:innen werden aufgenommen. So entsteht eine wertvolle Ergänzung zur bestehenden Fachexpertise.
- Eine weitere angestrebte Wirkung ist die Bewusstseinsbildung bei den Teilnehmenden: Immer wieder wurde festgestellt, dass die Teilnahme bei einem Bürger:innenrat verstärktes Interesse an Politik, erhöhter Wille zu freiwilligem Engagement und (themenabhängige) Bewusstseinsbildung forciert. Diese möglichen Effekte können als wertvoll für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung gewertet werden.
- Sensibilisierung der öffentlichen Meinung für das Thema „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit“: Der Prozess sollte dazu beitragen, das Thema Schule wieder verstärkt in den öffentlichen Diskurs zu bringen und die thematische Vielfalt aufzeigen.
- Durch die verstärkte Beteiligung der Resonanzgruppe in die Erarbeitung konkreter Umsetzungsmaßnahmen soll das vielfältige Know-How und die Vernetzung der relevante Stakeholder:innen genutzt werden und die gemeinsam getragene Ideen zur rascheren Umsetzung beitragen.
Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned
Wie bereits bei vorhergehenden Bürger:innenräten hat auch der Bürger:innenrat „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit“ deutlich gezeigt, dass ein Gruppenprozess Raum bietet damit Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen gut und wirksam miteinander zusammenarbeiten können. Die Teilnehmenden gaben positive Rückmeldungen über den Prozessablauf, die Moderator:innen und das Format im Allgemeinen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Gruppe wurden als sehr wertvoll bezeichnet.
Lessons learned für die Organisation sind:
- Es wird nicht mehr in 2 Gruppen parallel gearbeitet. Eine Zusammenführung der unterschiedlichen Gruppenergebnisse ist damit nicht mehr notwendig.
- Die Stärke der Moderationsmethode Dynamic Facilitation besteht darin, dass gemeinsam Lösungen gefunden werden, die für alle gut sind und die uns helfen zu wachsen und uns zu verändern, nicht nur das Problem zu lösen. Wichtig an diesem Ansatz ist, dass die Teilnehmenden ein tiefer greifendes Verständnis und eine erweiterte Sicht für das größere System, zu dem sie gehören, aufbringen. Ab einer Gruppengröße von 14 Personen wird das Organisieren und Im-Blick-Halten des Sich-Einbringen-Wollens der Teilnehmenden für die Moderation zu einer Herausforderung. Bei diesem Bürger:innenrat wurde erstmalig die von Felder-Morel entwickelte Moderationsmethode „Friedenstaube“ eingesetzt. Der Name deshalb, wie sie als Form einen in den Halbkreis integrierten Fish-Bowl beschreibt. Die Teilnehmenden sind in Blickkontakt zueinander. Die 5 – 7 Sessel des ebenso bogenförmigen Fish-Bowl sind die Sprech-Stühle. Setzt sich jemand auf einen dieser Sessel, wird sein bzw. ihr Beitrag als nächstes gehört und aufgeschrieben. So entscheiden die Teilnehmenden selbst über den Zeitpunkt ihres Redebeitrages. Zugleich übernehmen sie als Gesamtgruppe gemeinsam mit dem/r Moderator:in Mit-Verantwortung für ein ausgewogenes Einbringen aller. Die weiteren Teilnehmenden sitzen auf beiden Seiten bogenförmig an den Fish-Bowl angeschlossen. Die Form ähnelt einer (Friedens)Taube. Deshalb diese Bezeichnung.
- Der Zeitrahmen für den Bürger:innenrat wurde um eine Stunde am Samstag verlängert, wodurch die gemeinsame Themensammlung und Ausarbeitung der Empfehlungen verbessert werden konnte.
- Das zweistufige Auswahlverfahren kam aufgrund des Einladungszeitraumes (Sommerferien) nicht zur Anwendung, wodurch die Heterogenität der Gruppe nicht so gut erreicht wurde.
- Die Informationsphase für die Teilnehmenden wurde erweitert und ergänzt: Es gibt mittlerweile einen „Informations-Monat“ bei dem unterschiedliche Perspektiven und Informationen zum jeweiligen Thema (meist in Videoformat) bereitgestellt werden. Diese Informationen wurden durch die Ergebnisse aus der Online-Umfrage sowie den Workshops in Schulen ergänzt.
- Es wurde eine neue Online-Plattform für die Beteiligung der Bevölkerung in Form einer Online-Umfrage sowie die Beteiligung der Resonanzgruppe getestet.
- Es braucht generell eine stärkere Kommunikation zum Instrument „Bürger:innenrat“ für verschiedene Zielgruppen (nicht nur potentielle Teilnehmer:innen). Erste Maßnahmen aus dem neuen Kommunikationskonzept zum Thema kommen zur Anwendung, welches sich in unterschiedliche Zielgruppen aufsplittert.
- Beim Bürger:innenratcafé wurde das Worldcafé leicht adaptiert und der Austausch verlief zu den vorgestellten Themenbereichen. Dadurch konnten weitere konkrete Maßnahmenvorschläge gewonnen werden.
Auftraggeber:in
Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink, Vorarlberger Landesregierung
Prozessbegleitung und -beratung
Annemarie Felder, Semih Morel, Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung
Kosten und Finanzierung
Weitere Kosten beliefen sich auf 17.200,–
Links
- Petition: Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit
- Bürger:innenrat: Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit
- Ergebnisse des Bürger:innenrats „Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit„
- Erklärvideo: Was ist ein Bürgerrat?
- Video: zum Bürger:innenrat: Schulen für die Kinder und Jugendlichen unserer Zeit
- Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung: Aufgaben und Leistungen
- Video: Citizen Council Vorarlberg Model
Downloads zum Thema
Ansprechpartner:in
Michael Lederer
Jahnstraße 13-15
6900 Bregenz