Allgemein
In einer Planungszelle erstellen zufällig ausgewählte, nicht organisierte Bürger:innen zu einer bestimmten Fragestellung ein „Bürger:innengutachten“, das auf ihren eigenen Erfahrungen und ihrem Wissen beruht. Die Bürger:innen geben Empfehlungen und Bewertungen aus Sicht des Gemeinwohls ab, sie müssen im Verfahren keine speziellen Interessen vertreten. In Fachfragen werden sie von Expert:innen unterstützt. Für die Zeit des Planungsprozesses, meist vier Tage, werden die Bürger:innen von ihren alltäglichen Verpflichtungen freigestellt, d.h. Verdienstentfall wird vergütet, für Kinderbetreuungs- und Pflegeverpflichtungen werden Aushilfen organisiert.
Diese Beteiligungsmethode wurde in den 1970er Jahren an der Universität Wuppertal von Peter C. Dienel entwickelt.
Peter Schmidl, Bürgergutachter
„Engagierte Bürger:innen konnten sich einmal kreativ bei der Gestaltung ihres Lebensraums einbringen – damit gelang der positive Umschwung vom passiven ‚Jammern‘ zum aktiven Mitgestalten.„
„Engagierte Bürger:innen konnten sich einmal kreativ bei der Gestaltung ihres Lebensraums einbringen – damit gelang der positive Umschwung vom passiven ‚Jammern‘ zum aktiven Mitgestalten.„
Ablauf
Auswahl von Bürger:innen nach dem Zufallsprinzip
Nach dem Zufallsprinzip werden Bürger:innen eingeladen an der Planungszelle teilzunehmen. Es wird darauf geachtet, dass die Teilnehmer:innen möglichst divers zusammengesetzt und bevölkerungsrepäsentativ sind (z.B. Gender, Alter etc.).
Um die Vielfältigkeit der eingebrachten Meinungen zu erhöhen arbeiten oft auch mehrere Planungszellen parallel zum gleichen Thema.
Umfassende Information aller Teilnehmer:nnen
Die Teilnehmer:innen erhalten umfassende Information zum geplanten Vorhaben, ggf. inklusive einer Ortsbegehung. Sie haben die Möglichkeit zum Austausch mit den von dem Vorhaben Betroffenen, Fachexpert:innen und zuständigen Behörden. Es wird darauf geachtet, dass möglichst alle relevanten Meinungen vertreten sind.
Diskussion in Kleingruppen
Die Teilnehmer:innen diskutieren anschließend in Kleingruppen zu je 5 Personen unmoderiert zu Teilproblemen und suchen nach gemeinsamen Empfehlungen. Durch ständig neue Kleingruppen mit wechselnder Zusammensetzung kann eine faire Gesprächssituation ohne Bildung von Meinungsführerschaft sichergestellt werden.
Bürger:innengutachten
Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst, reflektiert und daraus Empfehlungen formuliert. Diese werden in einem Bürger:innengutachten zusammengefasst und bei einer öffentlichen Veranstaltung an den:die Auftraggeber:in übergeben.
Wünschenswert ist außerdem, dass ein Jahr später der:die Auftraggeberin den Teilnehmer:innen und der Öffentlichkeit über die Umsetzung der Empfehlungen berichtet.
Organisatorisches
Eine Planungszelle vorzubereiten, durchzuführen und nachzubereiten braucht einiges an zeitlichem und finanziellem Aufwand. Der gesamte Prozess dauert ca. 9 Monate.
Zu beachten
- Die Organisation und Planung liegt zwingend bei einer:m neutralen Durchführungsträger:in.
- Auftraggeber:in ist meist die Legislative (z.B. Stadtreat, Parlament) oder Exekutive (z.B. Stadtverwaltung, Ministerium).
- Oft bestehen bei Expert:innen Zweifel darüber, ob Bürger:innen – „Laien“ – ausreichendes Wissen für die Erstellung eines Gutachtens besitzen. Erfahrungen haben aber gezeigt, dass das Alltagswissen der Bürger:innen eine sehr gute Basis ist und sie sich in die Themenstellung rasch einarbeiten. Voraussetzung ist, dass alle Informationen vollständig und gut aufbereitet zur Verfügung stehen.
- Die Durchführung einer Planungszelle ist verhältnismäßig aufwändig, ergibt aber qualitativ hochwertige Diskussionsergebnisse und Empfehlungen.
Abwandlungen
Planungszellen können auch in einen größeren Prozess eingebettet werden, wie z.B. bei der Methode „Kooperativer Diskurs„.
Weiterführende Informationen
Literatur
Autor*innen: Dienel, H.-L. & Böhm, B., Hg. von Stiftung Mitarbeit und ÖGUT, Bonn
Erscheinungsdatum: 2018
ISBN: 978-3-941143-36-4