Praxisbeispiel

VinziRast – mittendrin

Vinzirast
LAND / BUNDESLAND
Wien
DAUER
seit 2013
ANWENDUNGSFELDER
METHODEN

Anlass und Hintergrund

Vinzirast-mittendrin ist getragen von der Überzeugung, dass ein Leben in Gemeinschaft gebrochene Menschen aufrichten und psychische Verletzungen heilen kann.

Als sich 2009 während der Wiener Audimax- Besetzung dort auch zunehmend obdachlose Menschen aufhielten, entstanden Konflikte. Durch die Einbeziehung dieser zufälligen Gäste z.B. in eine gemeinsame Vorbereitung der Mahlzeiten wurden diese Konflikte weniger. Diese Erfahrung veranlasste ein paar Studierende nach Ende der Protestbewegung zur Idee eines Gemeinschaftsprojekts. Sie wussten von einem leerstehenden Haus in der Nähe der Hauptuni und vom sozialen Engagement von Hans Peter Haselsteiner. Dieser holte den Verein Vinzenzgemeinschaft St. Stephan dazu.  

Prozessdesign und Ablauf

Umfassende Recherchen ergaben, dass es (auch international) keine Beispiele für Projekte gab, in denen obdachlose Menschen und Studierende aktiv zusammenkommen. Im Gegenteil – als wir diese Idee auszuarbeiten begannen, entschied sich die Stadt Prag gerade dazu, am Stadtrand neben einer Müllverbrennungsanlage ein Ghetto zu errichten, in dem die Obdachlosen der Stadt zusammengefasst werden sollten. Aufgrund der Überzeugung, dass Obdachlosigkeit in unserer Gesellschaft entsteht, als ein Resultat unseres Zusammenlebens und ein Gegensteuern daher auch innerhalb der Gesellschaft erfolgen muss, war schon die zentrumsnahe Lage des Hauses und seine stadträumliche Position als Eckhaus, das noch dazu weit in den öffentlichen Stadtraum hineinragt eine sehr willkommene Rahmenbedingung.
Vor diesem Hintergrund entwickelten wir das Raumprogramm: Einerseits als Wohnhaus für ca. 30 Personen – die Hälfte ehemals wohnungslose Menschen und die andere Hälfte Studierende – in 10 gemischten WGs auf 3 Stockwerken und andererseits als Gemeinschaftsgebäude, das auch für die Nachbarschaft bzw. generell für die Öffentlichkeit zur Verfügung steht: ein öffentliches Lokal (ohne Konsumzwang), 2 Veranstaltungsräume, die auch extern gebucht werden können, 3 Werkstätten, in denen BewohnerInnen Beschäftigung und NachbarInnen z.B. Unterstützung bei der Reparatur eines alten Kastens finden etc. – ein Gebäude als Botschafterin gegen Monokulturen und für ein Miteinander in der Stadt.
Entsprechend sind die Nahtstellen zwischen diesem Sozial-Projekt und dem Rest der Stadt erstmals maximal durchlässig und möglichst ohne Schwellen ausgeführt, so dass auch Menschen, die sich nicht gezielt aktiv sozial engagieren möchten, daran teilnehmen können.
Da wir damit völlig neue Wege gehen, befindet sich das Projekt außerhalb von Förderrichtlinien z.B. des Fonds Soziales Wien und wurde über Spenden sowie Kredite finanziert, die der Verein aufgenommen hat.
Die Symbiose mit dem Umfeld war ein wesentlicher Teil, so dass noch vor Projektstart die Kommunikation mit den Anrainenden in Form eines mehrtägigen im Gebäude stattfindenden Flohmarkts gesucht wurde. So konnten gleich zu Beginn über das persönliche Kennenlernen und erste Gespräche Ängste abgebaut bzw. Anregungen aufgenommen werden.
Über das jeweilige Vorgehen, über Inhalte und mögliche Varianten wurde in den bereits erwähnten monatlichen Treffen zwischen den Initiierenden ( 2 – 7 Studierende), den Vereinsmitgliedern (durchschnittlich 7 – 8 Personen) und uns (meist zu zweit), sowie einem Moderator (alle ehrenamtlich) bis zu einem zu erzielenden Konsens diskutiert. Diese Runde gibt es auch nach der Eröffnung weiterhin, um die ersten Erfahrungen auszuwerten und neue Möglichkeiten zu erwägen.
Umgesetzt wurde VinziRast-mittendrin anfangs mit obdachlosen Menschen, die 9 Monate lang das Gebäude entrümpelt und alle nichttragenden Bauteile bis zum Eintreffen der Baufirma entfernt haben. Nach Abschluss der professionellen Bauarbeiten haben wiederum Obdachlose, Studierende und andere Freiwillige unter unserer Leitung in weiteren 3 Monaten das Haus für den Einzug vorbereitet: mit Arbeiten wie Ausmalen, Oberflächen herstellen, Möblieren, den Dachgarten anlegen etc. konnten aber auch erste BewohnerInnen das Haus in Besitz nehmen. Parallel wurden andere Institutionen wie z.B. Studierende der Universität für Bodenkultur für die Außenraumgestaltung, die BIG und die Debo-Immobilien als direkte Nachbarn sowie viele unterstützende Firmen vor allem aus dem Baugewerbe über unterschiedliche Mitarbeitsbeteiligungen involviert.
Sowohl die Österreichische Tagespresse als auch verschiedene Fachmagazine berichteten schon während des Entstehungsprozesses wiederholt, so dass viele eigeninitiative Unterstützungsangebote die erreichte Qualität erst ermöglicht haben.
Heute knapp ½ Jahr nach der Eröffnung wird sowohl beim Verein als auch bei uns national wie international aufgrund der Einzigartigkeit und der positiven Ausstrahlung von VinziRast-mittendrin fast wöchentlich um Vorträge, Interviews, Teilnahme an Symposien etc. angefragt – ein Zeichen, dass sich die Menschen zumindest für Alternativen im Umgang mit sozialen Randgruppen interessieren. Dennoch: bei allem Enthusiasmus des Beginnens bleibt das Ergebnis offen. „Wie das gehen soll, das wissen wir auch nicht“ sagt Cecily Corti nüchtern, vertrauend, dass das Erleben von Zugehörigkeit eine tragfähige Basis bildet.



Ansprechpartner

Architekturbüro gaupenraub+/-

Mag. arch. Alexander Hagner, Mag.a arch. Ulrike Schartner

www.architektur.se