Anwendungsfeld

Sozialraum-Analyse

Der Begriff Sozialraum bzw. die Sozialraumorientierung hat ihren Ursprung sowohl in der Stadtsoziologie als auch in der Pädagogik und ermöglicht es in der Analyse, die räumliche Umgebung in Verbindung mit dem sozialen Handeln zu bringen. So ist mit dem „Sozialraum“ nicht nur ein sozialgeografisch begrenzter Raum, wie z. B. ein Stadtteil oder eine Region gemeint. Spricht man vom Sozialraum, so bezieht sich das auf einen sozial konstruierten Raum: einen Lebensraum und sozialen Mikrokosmos, in dem sich gesellschaftliche Entwicklungsprozesse manifestieren.

Das Konzept des Sozialraums bzw. die Sozialraumanalyse wird in unterschiedlichen Feldern angewendet wie zum Beispiel in der Planung und Stadtentwicklung sowie in der Gemeinwesenarbeit.

Sozialraumanalyse in der Planung

Idealerweise bilden die vier Dimensionen des Raumes nach dem relationalen Raummodell die zu untersuchenden Kategorien für eine Sozialraumanalyse:

  1. Soziales Handeln: Im Mittelpunkt steht die Frage danach, wer die Nutzer:innen des zu untersuchenden Raumes sind. Zu welchem Zweck nutzen sie ihn, welche Ziele und Interessen verfolgen sie dabei? In welcher Form treffen die sozialen Gruppen aufeinander? Innerhalb dieser Untersuchungsebene können Aussagen zu den Nutzer:innengruppen, den Intergruppenbeziehungen, Konflikten sowie Nutzungsarrangements getroffen werden.
  2. Materielles Erscheinungsbild: Im Mittelpunkt dieser Untersuchungsebene stehen die Gestaltung und die Gestalt des gebauten Raumes, nicht nur aus der architektonischen Bewertungsperspektive, sondern vielmehr im Hinblick darauf, wie die gebaute Mitwelt von den Nutzer:innen wahrgenommen und angeeignet wird.
  3. Kultureller Ausdruck: Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Frage nach dem Zweck und der Bedeutung des zu untersuchenden Raumes, einerseits in einem lokalen, andererseits aber auch in einem übergeordneten Zusammenhang. Was sind die Assoziationen mit diesem Raum? Auch die Frage danach, welche Images werden transportiert? Somit können Aussagen zu Bewertungen und (Be-)Deutungen von Orten getroffen werden.
  4. Regulation (Ordnungskriterien- und Elemente): Auf dieser Untersuchungsebene wird z. B. bestimmt, welche formalen Planungsvorgaben für den Raum bestehen. Wie war der Planungsprozess (aber auch der Beteiligungsprozess innerhalb des Planungsprozesses) bisher gestaltet und strukturiert? Wer sind die handelnden Akteur:innen und welchen Einfluss üben sie aus?

Für sich genommen kann jede Dimension einzeln untersucht werden, doch in der Sozialraumanalyse geht es in erster Linie um eine Syntheseleistung in der Verschneidung der Untersuchungsebenen. Dadurch können relevante Aussagen für zukünftige Planungen erzielt werden, die den Raum nicht nur als gebautes Erscheinungsbild begreifen, sondern eben die unterschiedlichen Dimensionen in ihrem Zusammenspiel berücksichtigen.

Wencke Hertzsch
Stadtbaudirektion, Stadt Wien

Wencke Hertzsch

„Die Initiierung und Durchführung von Beteiligungsprozessen bedarf eines politischen Willens, sonst übernehmen sie lediglich eine Alibifunktion im Rahmen von Planungsprozessen. Dies ist für alle Beteiligten meist nicht zufriedenstellend und liefert keine Ergebnisse für die weitere Planung. Kooperation im engeren und weiteren Sinne macht Planung handlungsfähig.„

„Die Initiierung und Durchführung von Beteiligungsprozessen bedarf eines politischen Willens, sonst übernehmen sie lediglich eine Alibifunktion im Rahmen von Planungsprozessen. Dies ist für alle Beteiligten meist nicht zufriedenstellend und liefert keine Ergebnisse für die weitere Planung. Kooperation im engeren und weiteren Sinne macht Planung handlungsfähig.„

Im Rahmen einer Sozialraumanalyse gibt es kein vorgegebenes Methodensetting. Es kann aus einer Vielzahl an quantitativen und qualitativen Methoden der Sozialforschung ausgewählt werden. Der Schwerpunkt liegt vornehmlich auf qualitativen Methoden. So können unter anderem folgende Methoden zum Einsatz kommen:

  • Sekundäranalysen der Amtlichen Statistik
  • GIS-Analysen (GIS = Geografisches Informationssystem)
  • Fragebögen
  • Beobachtungsverfahren
  • Stadtspaziergänge
  • Mental Mapping
  • Foto- und Filmanalysen
  • Medienanalysen
  • Expert:innen-, Fokusgruppen- und Gruppeninterviews

Darüber hinaus ist es sinnvoll, partizipative Elemente (Beteiligungsverfahren in Form von Zukunftswerkstätten, Runden Tischen, Aktivierende Befragungen etc.) in die Untersuchung einzubeziehen, um so zukünftige Planungsbetroffene für die Planung/den Planungsprozess zu sensibilisieren und zur aktiven Mitgestaltung zu aktivieren.

Anmerkung: Dieser Beitrag wurde von Dipl.-Ing. Wencke Hertzsch für die frühere Version dieser Website erstellt. Wencke Hertzsch hat Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin studiert und viele Jahre in der Stadterneuerungspraxis sowie im Quartiersmanagement in Berlin und Wien gearbeitet. Seit 2016 ist sie Mitarbeiterin der Stadtbaudirektion der Stadt Wien und dort zuständig für strategische Fragen der Partizipation und für die Qualitätssicherung im Bereich Beteiligung.