Praxisbeispiel

Pocket Mannerhatten Ottakring

Skizze vom Wohnblock, mit Sharing-Wünschen
Wohnblock und Sharing Wuensche (c) Florian Niedworok

Projektbeschreibung

Räume und Flächen in der Stadt sind wertvoll. Bestimmte Bereiche mit Nachbar:innen gemeinsam zu nutzen und zu teilen, steigert die Lebensqualität: Das ist eines der wichtigsten Ziele von Pocket Mannerhatten. So können beispielsweise mehrere Innenhöfe oder Dachflächen zu größeren zusammengelegt werden, oder Systeme erneuerbarer Energien gebäudeübergreifend und rentabler werden. Die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Bewohner:innen wurden im Rahmen eines umfassenden und sensiblen Partizipationsprozesses erhoben.

Anlass und Hintergrund

Die zentrale Frage des Projektes ist: Wie können gemeinwohlorientierte, liegenschaftsübergreifende Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen in der Bestandsstadt umgesetzt werden? Um den Bestand der Gründerzeit klimafit zu machen, sind in den Bereichen Energie, Begrünung, Mobilität, Wohnen u.v.m. größer gedachte Maßnahmen erforderlich, als sie auf einzelnen Liegenschaften möglich sind. Aufgabenstellung des Projektes war es entsprechend, die Rahmenbedingungen für gemeinwohlorientiertes, liegenschaftsübergreifendes Handeln zu erforschen und zu verbessern.

Architekt Florian Niedworok entwickelt das Konzept Pocket Mannerhatten 2012 im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Universität Innsbruck (Betreuer: Prof. Bart Lootsma). 2014 wurde das Konzept zur Gänze überarbeitet und unter 45 Einreichungen mit dem ersten Preis beim Superscape Award ausgezeichnet.

In den Jahren 2016 – 2017 wurde ein Sondierungsprojekt durchgeführt – gefördert im Rahmen des Programms „Smart Cities Demo“ des Klima- und Energiefonds: Das multidisziplinäre Konsortium (tatwort Nachhaltige Projekte GmbH, Architekt DI Florian Niedworok, TU Wien – Energy Economics Group, TU Wien – Forschungsbereich Soziologie, Rechtsanwalt DDr. Gebhard Klötzl) untersuchte die Rahmenbedingungen, unter denen solche räumlichen Strategien des Tauschens und Teilens funktionieren können. Im Rahmen dieses Sondierungsprojekts konnten engagierte Eigentümer:innen in einem gründerzeitlichen Häuserblock („Block 61“) gefunden werden. Für den umfassenden Aktivierungs- und Beteiligungsprozess zeichnete tatwort Nachhaltige Projekte verantwortlich.

Im Folgeprojekt wurde das Sharing-Konzept erstmals in einem gründerzeitlichen Stadtblock in Wien-Ottakring zu Anwendung gebracht. Das bewährte Team, ergänzt um das Innovationslabot Grünstattgrau, begleitete die Eigentümer:innen und Bewohner:innen von „Block 61“ bei der Erarbeitung und Umsetzung von Sharing-Maßnahmen und unterstützte bei der Lösung von baulichen, sozialen und rechtlichen Fragen. Auch hier lag die Partizipation in den Händen von tatwort. Das Projekt wurde im Rahmen des Projektes Smart Cities Demo des Klima- und Energiefonds gefördert und ist Projekt der Internationalen Bauausstellung Wien 2022.

Der Häuserblock stammt aus der Gründerzeit und hat eine Struktur, die für diese Epoche typisch ist. Diese gründerzeitlichen Stadtblöcke gibt es ca. 2.500 – 2.800-mal in Wien. Ihre Strukturen ähneln sich, so dass die hier entwickelten „Musterlösungen“ auch auf andere Häuserblöcke übertragbar sind. Pocket Mannerhatten generiert so wertvolle Entwicklungsmöglichkeiten für die Wiener Gründerzeit und bietet Lösungen, wie diese Möglichkeiten genutzt werden können – für eine lebenswerte, zukunftsfähige Stadt.

Ziel(e)

Das Projekt behandelt drei wesentliche Komponenten:

Räumliches Sharing:  Pocket Mannerhatten gibt einen Rahmen vor, der Tauschen, Teilen und Vernetzen von Nutzungen klar regelt.
Partizipation: Die Beteiligung der Bewohner:innen und Eigentümer:innen ist zentraler Baustein der Strategie.
Anreiz-System: Teilen lohnt sich – nicht nur, weil die gemeinsame Nutzung bereits viele Vorteile bringt, sondern auch weil ein Ziel von Pocket Mannerhatten ein gemeinwohlorientiertes „Anreiz-System“ ist

Pocket Mannerhatten verfolgt die These, dass durch liegenschaftsübergreifende, räumliche Vernetzung nicht nur Vorteile für Bewohner:innen und Eigentümer:innen entstehen, sondern durch erweiterte Entwicklungsperspektiven für die Stadtplanung auch das Gemeinwohl noch stärker in den Fokus rückt. Damit entstehen Vorteile für alle Stadtbewohner:innen, beispielsweise durch:

  • Funktions- und Nutzungserweiterungen, z.B. Nutzung von Leer- und Zwischenräumen oder Dach- und Hofflächen als Gewerbe-, Freizeit- oder Naherholungsflächen.
  • Effizientere Raumnutzung durch multifunktionale und gemeinschaftliche Raumnutzungen, z.B. neue gemeinschaftliche Wohnformen, und liegenschaftsübergreifende Multifunktionsräume.
  • Klimafreundliche und ressourcenschonende Mobilität durch Sharing und Förderung aktiver Mobilität (Gehen und Radfahren). Auch Verkehrsvermeidung durch Förderung von Nutzungsvielfalt und verbesserter Naherholungsqualität.
  • Verbessertes Stadtklima und Förderung der Stadtökologie durch Begrünung, Gärten und Urban Farming.
  • Verstärkter Einsatz erneuerbarer Energien und Verbesserung der Energiebilanz durch Effizienz und Rentabilitätssteigerungen z.B. eine optimal ausgerichtete Photovoltaikanlage auf dem Dach des Nachbarhauses produziert Strom für den ganzen Block.
  • Kosteneinsparungen durch ressourcenschonendes und ökologisches Bauen, z. B. durch gemeinschaftlich genutzte Aufzugsanlagen oder den Einsatz wiederverwendbarer Materialien.

Bisherige finanzielle Förderungen könnten dahingehend angepasst werden, dass sie eine liegenschaftsübergreifende Kooperation speziell unterstützen. Neben etablierten finanziellen Förderungen (monetäre Anreize) sieht das Konzept auch nicht-monetäre Anreize bzw. Fördermaßnahmen vor. Diese Fördermaßnahmen könnten bei entsprechend evaluiertem, langfristig gesichertem Beitrag zum Gemeinwohl vergeben werden. Diese nicht-monetären Anreize sollen einen Entwicklungsimpuls setzen und den kommunikativen und organisatorischen Mehraufwand von liegenschaftsübergreifenden Maßnahmen ausgleichen.

Prozessdesign und Ablauf

Um eine Gruppe von Nachbar:innen für Sharing-Umsetzung zu gewinnen, ist ein entsprechend konzipierter Partizipationsprozess notwendig. Dieser sollte möglichst mehrere Elemente – formelle und informelle, push- und pull- – miteinander kombinieren, um die Interessierten zu erreichen und mehrere “Einstiegsmöglichkeiten” zu bieten.

Bei der Aktivierung von Eigentümer:innen ist es das Ziel, Eigentümer:innen zu identifizieren und für die Idee zu gewinnen. Gleichzeitig sollten sie mit dem Prinzip “Wer teilt, bekommt mehr” vertraut werden und über die Erfordernisse, aber vor allem auch die Perspektiven und Potenziale des liegenschaftsübergreifenden Handelns zu erfahren. Dafür hat das Projektteam ein Planspiel entwickelt, dass den Prozess des Sharing in einem spielerischen Setting simuliert. Zur Aktivierung von Eigentümer:innen bzw. Entscheider:innen ist diese Methodik sehr zielführend.

Planspiel mit Gebäudemodell (c) Foto: Gesa Witthoeft

In den darauffolgenden Schritten, die in die Praxis des Teilens überleiten, wurden weitere

Methoden angewandt, die hier überblicksmäßig dargestellt sind.

Planungsbesprechungen (pull, formell)
Nachdem eine Gruppe von Eigentümer:innen bzw. Nachbar:innen für ein Sharing-Projekt gefunden ist, stellen Planungsbesprechungen mit ihnen eine wesentliche erste Säule der Partizipations- und Aktivierungstätigkeit dar. Sie dienen dazu, die baulichen Möglichkeiten bzw. weiteren Maßnahmen, die eine Eigentümer:innen-Zustimmung erfordern, festzulegen.

Aus den Erfahrungen des Projektteams empfiehlt es sich, in Planungsbesprechungen, möglichst frühzeitig die baulichen und organisatorischen Möglichkeiten für Sharing-Umsetzungen grob zu erheben, und die jeweiligen Auswirkungen herauszuarbeiten. Auf dieser Basis können dann die konkreten Szenarien besser abgestimmt werden. Je konkreter und klarer die Vorschläge, desto einfacher ist es für die Eigentümer:innen, abzuwägen.

Plakate, Flyer und Co. (push, je nach Inhalt formell oder informell)
Um auch auf die Bewohner:innen zuzugehen, diese zu aktivieren und auf das Projekt- bzw. Beteiligungsvorhaben aufmerksam zu machen, ist es wesentlich, mit “analogen” Einladungen bzw. Hinweisen zu arbeiten. Dabei sollte über konkrete Handlungsmöglichkeiten informiert werden, wie z. B. Einladungen zu Festen, Workshops, Sprechstunden, oder auch die Möglichkeit, z. B. per E-Mail in einen Kontaktverteiler aufgenommen zu werden.

Ein Wiedererkennungswert durch Grafik, Layout und einen Projekt-Titel ist dabei hilfreich. Gleichzeitig ist es wesentlich, dass die Unterlagen nicht zu “werblich” gestaltet werden!

Bei der Erstellung eines Kontaktverteilers mit persönlichen Daten sind unbedingt die aktuell geltenden Vorgaben der Datenschutz-Verordnung einzuhalten.

Workshops mit Bewohner:innen (pull, formell)
Workshops sind ein zentraler Bestandteil der Aktivierung und Beteiligung. Je nach Projektphase unterscheiden sich die Zielsetzungen der Workshops und entsprechend empfehlen sich unterschiedliche Methoden.

Speziell zu Beginn eines Prozesses, wenn es um Bedürfnisse und ggf. Missstände in der Nachbarschaft geht, aber auch in späteren Phasen, wenn Regeln und Pflichten für Sharing-Interessierte aufgestellt werden, können die Workshops auch Konflikte zu Tage fördern. Daher ist es hilfreich für die Gestaltung der Workshops ist es, externe Moderator:innen zu haben, die verschiedene Standpunkte möglichst neutral aufgreifen können.

Erste Phase der Workshops
Zu Beginn einer Bewohner:innen-Aktivierung ist es sinnvoll, die allgemeinen Bedürfnisse und die “Stimmung” in der Nachbarschaft auszuloten. Dabei sollen die Interessen, Wünsche und Möglichkeiten der Bewohner:innen erhoben und verknüpft und die baulichen Sharing-Optionen mit Leben gefüllt werden. Eine geeignete Methode stellt beispielsweise die Zukunftswerkstatt dar, die anhand drei klar voneinander abgegrenzten Phasen eine kreative und intensive Auseinandersetzung ermöglicht.

In der Kritikphase werden die aktuelle Situation und mögliche Probleme analysiert. Das ist wichtig, um etwaige Hindernisse oder drängende Themen in der Nachbarschaft zu erkennen. In der darauf folgenden Fantasiephase werden – durchaus auch utopische – Ideen und Visionen rund um das Sharing-Thema entwickelt. In der finalen Realisierungsphase werden die Ideen und Vorschläge strukturiert, ihre Umsetzbarkeit diskutiert und schließlich die nächste Schritte bzw. das Vorgehen strukturiert geplant.

Zweite Phase der Workshops
Sind die Themen festgelegt und die Orte für die Umsetzungen gefunden, ist es Zeit in die zweite, konkrete Planungsphase überzugehen. Hier geht es für die einzelnen Sharing-Optionen darum, die Eckpfeiler der praktischen Umsetzung der Sharing-Maßnahme(n) festzulegen, und zwar:

  • Wie ist die Sharing-Maßnahme organisiert? Zugänglichkeit, Finanzierung / Leistbarkeit, Rechte und Pflichten der Beteiligten unter Berücksichtigung des Gemeinwohls)
  • Was braucht es, damit die Sharing-Maßnahme langfristig betrieben werden kann? Regelmäßige Tätigkeiten (z. B. Reinigung, Pflege, Öffentlichkeitsarbeit, Wartung Website, etc.). Welche Rollen sind dafür notwendig, wer ist wofür zuständig?
  • Welche Organisationform ist sinnvoll? Mündliche Vereinbarungen, Verein, etc.
  • Tritt die Gruppe nach außen auf, wirbt sie neue Mitglieder? Wenn ja, wie?

Diese Themen sollten maßnahmenspezifisch für Sharing-Umsetzungen (beispielsweise Car-Sharing, PV-Sharing) diskutiert. Je nach konkreter Aufgabenstellung / Phase empfehlen sich andere Methoden, wie z. B. Dragon Dreaming.

Eine externe Moderation kann hilfreich sein, ist aber nicht unbedingt erforderlich. Die Gruppe soll auch in der Lage sein, sich selbst zu organisieren und nur bei größeren Fragestellungen / Konflikten Unterstützung von außen zu benötigen. Daher ist es bei einem durch Externe begleiteten Prozess wichtig, im Rahmen des zweiten Workshop-Phase die Verantwortung für die Organisation der Treffen schrittweise abzugeben.

Workshop mit interaktiven Übungen (c) Julia Beck, Tatwort

Tür-zu-Tür-Interviews (push, informell)
Im Zuge von Tür-zu-Tür-Befragungen können Bewohner:innen über das Vorhaben informiert werden. Man trifft dabei auf einen breiten Querschnitt der Nachbarschaft. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass auch Personen erreicht werden, die auf reine Informationsaktivitäten (Flyer) oder Termine (Workshops, Feste, etc) nicht oder kaum reagieren. Zudem lässt sich die Aktivität mit baulich-räumlichen Erhebungen verbinden. Ein möglicher Nachteil ist, dass solche Interviews außerhalb eines Forschungsvorhabens als unpassend bzw. grenzüberschreitend empfunden werden können.

Nachbarschaftssprechstunde (pull, informell)
Eine Nachbarschaftssprechstunde bietet eine niederschwellige und persönliche Möglichkeit, mit der sich Interessierte über das Vorhaben informieren können. Sie kann zudem dazu verhelfen, lokale Gastronomiebetriebe in das Projekt einzubinden oder (leerstehende) Erdgeschosslokale zu nutzen. Zudem hilft bereits das Angebot der Sprechstunde dabei, dass Menschen über ihre Nachbarschaft nachzudenken beginnen und diese bewusster wahrnehmen. Nachteilig kann sein, dass es eine relativ zeitaufwändige Methode ist.

Nachbarschaftsfeste (pull, informell)
Als besonders effektive Methode mit großer Reichweite dienen Nachbarschaftsfeste. Diese sollten möglichst in der unmittelbaren Umgebung, in einem Hof oder bestehenden Gemeinschaftsraum umgesetzt werden.

Im Projekt wurden beispielsweise ein Sommerfest und ein winterliches Punsch-Trinken umgesetzt. Diese trugen stark zur Verbreitung des Wissens über das Projektvorhaben bei und hatten von allen Aktivitäten die größten Teilnehmer:innen-Zahlen. Als zielführend und sinnvoll hat es sich erwiesen, am Rande der Feste auch das Vorhaben präsent zu halten. Hier wurden beispielsweise Lastenräder, Photovoltaik-Paneele und ein Modell des Häuserblocks ausgestellt, um Anknüpfungs- und Besprechungspunkte zu haben.

Feste eignen sich besonders zur informellen Einbindung von Nachbar:innen, um auf das Projekt aufmerksam zu machen. Am Rande von Festen können aber sämtliche Themen besprochen werden.

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Die Beteiligung der Bewohner:innen und Eigentümer:innen ist zentraler Baustein der Strategie. Im Sondierungsprojekt war die Aufgabe, überhaupt erst interessierte Eigentümer:innen zu finden. Dazu wurde ein Gebiets-Check entwickelt, der Orte mit besonders hohem Sharing-Potenzial identifiziert. Anschließend wurden Folder mit der Konzeptidee Pocket Mannerhatten Ottakring und ansprechenden grafischen Darstellungen erstellt und mit einem Erstanschreiben versendet. Aufgrund der Resonanz der Eigentümer:innen wurden drei konkrete Blöcke als Fokusgebiete ausgewählt. Hier wurden ergänzend über Grundbucheintragungen und Vor-Ort-Recherchen (Sozialraumanalyse, Begehungen; Ad-hoc Gespräche) EigentümerInnen ausfindig gemacht und direkt telefonisch sowie per E-Mail kontaktiert.

Bei Workshops und Einzelgesprächen, in denen die Umsetzungswünsche oder -ideen der EigentümerInnen gesammelt werden sollten, stellte sich heraus, dass EigentümerInnen diese oft nicht klar benennen können – wohl auch, weil es ihnen wegen der Innovation des räumlichen Sharings zunächst an Vorstellungskraft mangelte. Diese EigentümerInnen wünschten sich anstelle eigener Entscheidungen Anregungen von Seiten des Projektteams.

Um die Vorstellungskraft zu stärken, wurde ein aktivierendes, interaktives Rollenspiel entwickelt. Das Spiel dient dazu, die für manche abstrakte Idee des Sharings erlebbar/erlernbar zu machen, ein Gefühl für den Sharing-Prozess zu bekommen und konkrete Optionen von Pocket Mannerhatten zu vermitteln und zu visualisieren.

Dabei nehmen die Spielteilnehmer:innen die Rollen von Hausbewohner:innen, Eigentümer:innen, Fachpersonen im politisch administrativen System und anderen relevanten Akteur:innen ein, diskutieren und gestalten gemeinsam im Sinne von gemeinwohlorientiertem Sharing einen Stadtblock nach ihren Ideen um. Im spielerischen Dialog erarbeiten die Spielenden am Modell eine Lösung, in der möglichst viele Potenziale genutzt und unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden.

Im an die Sondierung anschließenden Umsetzungsprojekt erfolgte zuerst schwerpunktmäßig die präzise und erfolgreiche Aktivierung im ausgewählten Pilot-Block, bei der über 50 Personen in und um den Block über das Projekt konsultiert wurden und wertvolle Inputs zur inhaltlichen Weiterentwicklung lieferten. U.a. wurden eine Reihe von Workshops, informelle Treffen, eine Nachbarschafts-Sprechstunde, Interviews von Tür zu Tür und ein Sommerfest umgesetzt. Eine Vielzahl von Sharing-Wünschen und -Möglichkeiten wurden dabei erfasst, erste Umsetzungen wurden vorbereitet. Im Austausch mit den Bewohner:innen aber auch mit Mitarbeiter:innen der Verwaltung wurden konkrete Möglichkeiten entwickelt, die zeigen, wie verschiedene „Sharing-Optionen“ baulich und organisatorisch umgesetzt werden können. Außerdem wurde ein „Baukasten“ an Anregungen zur Gestaltung von Nutzungsrechten erarbeitet. Architektonisch-technische Planungen und das Entwickeln neuer Sharing-Möglichkeiten, wie beispielsweise einer liegenschaftsübergreifenden Dachterrasse, basieren ebenfalls auf den in Workshops und Eigentümer:innengesprächen geäußerten Wünsche und Bedürfnissen.Nach der intensiven gemeinsamen Ideenentwicklung und Planung mit allen Akteur:innen wurden erste Umsetzungen angestrebt.

Im Zuge dieser Erarbeitungen trat eine wesentliche Schwierigkeit auf: Das Ausscheiden der Eigentümer:innen der Schlüsselliegenschaft in Verbindung mit zwei gegenüberliegenden bzw. seitlichen gelegenen Liegenschaften. In einem intensiven Beratungs- und Planungsprozess wurde der Entwurf für die Sanierung eines Hofhauses entsprechend der Bedürfnisse und entsprechend des Gemeinwohlanspruchs angepasst und ein Vertragsabschluss vorbereitet. Kurz vor Einigung entschied sich das Eigentümer:innenpaar des Hofhauses allerdings gegen diesen Verkauf, vor allem aufgrund der komplexen vertraglichen Erfordernisse sowie individuellen Restriktionen.

Das Projektteam reagierte darauf mit der Konzipierung einer temporären 1:1-Umsetzungsstrategie und deren Vorbereitung als „Galerie der Möglichkeiten“. Das bereits in der Sondierung erfolgreich eingesetzte Planspiel wurde dabei als innovatives Aktivierungs- und Planungstool weitergedacht. Diese Galerie der Möglichkeiten sollte als temporäre 1:1-Umsetzung geplante und denkbare Maßnahmen des liegenschaftsübergreifenden Sharens, Planens und Bauens über einige Wochen darstellen und vor allem erlebbar machen. Sie sollte räumliche Interventionen ebenso umfassen, wie eine Ausstellung und ein Diskussions- und Veranstaltungsprogramm.

Parallel wurde das System zur Bewertung von liegenschaftsübergreifenden Maßnahmen weiter ausdifferenziert.

Aufgrund der Covid-Pandemie und den damit verbundenen Kontaktbeschränkungen wurde die „Galerie der Möglichkeiten“ in einer erneuten Umplanung digitalisiert. In der ca. drei Wochen dauernden Veranstaltungsreihe (14.9. bis 1.10.2020) wurde ein gezielter Maßnahmen-Mix umgesetzt, zur Verbreitung der Projekt(zwischen)ergebnisse und zum (Fach)Austausch. Zu den Aktivitäten zählten analoge und digitale Veranstaltungen, eine Ausstellung, die Einbindung der NachbarInnen im Pilot-Block sowie ein intensiver Austausch mit Fachmenschen u.a. aus den Bereichen Architektur, Stadtplanung, Energie, Begrünung und Mobilität. Die Galerie der Möglichkeiten hatte auch große mediale Resonanz und stieß auf breites Interesse in der Fachwelt.

Im Pilotblock konnte im finalen Projektjahr die österreichweit erste Photovoltaik-Anlage umgesetzt werden, die Strom direkt an Hausbewohner:innen und Nachbar:innen in der näheren Umgebung liefert. Die Anlage ist auf beiden Seiten des Gebäudes installiert und hat auf der Straßenseite, Richtung Westen Abmessungen von 40m² und auf der ostseitigen Hofseite ca. 56m². So ist die Anlage optimal ausgerichtet. Sie soll eine geplante Leistung von 17,5 kWp – 19.200 kWh pro Jahr erbringen. Nimmt man einem mittleren Jahresverbrauch von ca. 1700 kWh/a eines durchschnittlichen Haushaltes an, können mit dem erzeugten Strom etwa 11 Haushalte versorgt werden. Die Verteilung im eigenen Häuserblock bzw. in der Nachbarschaft wird durch die eFriends ermöglicht. Energierechtliche Fragestellungen und praktische Erkenntnisse zu aktuellen organisatorischen Hürden konnten im Rahmen der Umsetzung mit erarbeitet werden.

Rendering Strassenansicht Vision2050 (c) Florian Niedworok, Die Renderei

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Sharing-Konzepte leben von der Beteiligung der an ihnen beteiligten Personen. Partizipation ist eine Grundvoraussetzung und eine der drei wesentlichen Säulen von Pocket Mannerhatten. Die Mehrwerte lassen sich am besten durch Zitate der am Prozess beteiligten Personen illustrieren:

„Selbst wenn das Vorhaben jetzt schon (Anmerkung: nach dem ersten Projektjahr) enden würde, und keine baulichen Umsetzungen stattfinden würden, hätte es sich ausgezahlt, weil ich nach so vielen Jahren endlich meine Nachbar:innen kennengelernt habe.“ (Hauseigentümer Hr. T., 2017)

„Wenn ich an meine Wohnung dachte, dachte ich immer an die vier Wände. Nach dem PMO-Workshop denke ich an den ganzen Stadtblock.“ (Wohnungseigentümerin Liebhartsgasse, Fr. S. 2016)

„Wir wollten aus der Gegend wegziehen, aber jetzt wo hier so etwas Tolles entsteht, überlegen wir uns das noch einmal.” (Mieter:innen R&R, 2018)

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Dass Sharing eine zukunftsweisende Strategie für Bestandsstädte darstellt, konnte durch das Projekt umfassend dargelegt werden. Sowohl von Seite der Bewohner:innen, der Eigentümer:innen als auch der Stadtverwaltung und Expert:innen wird das Vorhaben als zukunftsweisend beurteilt.

Der Partizipationsprozess ist zentral; er muss zielgruppensensibel geplant und durchgeführt durchgeführt werden. Sharing-spezifische Methoden zur Aktivierung und Partizipation von Eigentümer:innen und Nutzer:innen konnten erarbeitet und verfeinert werden. Es stehen umfassende Materialien zur Information und Beteiligung zur Verfügung.

Die Bedingungen, unter denen v.a. bauliche Sharing-Umsetzungen gelingen können, sind noch nicht optimal. Es bestehen v.a. (förder)rechtliche und organisatorische Hürden, die im Rahmen des Projektes aufgezeigt werden konnten. Das Team arbeitet weiter daran, diese Hürden sukzessive abzubauen.

Auftraggeber:in

Umsetzung im Rahmen der Forschungsprojekte „Pocket Mannerhatten Sondierung“ und „Pocket Mannerhatten Umsetzung“

Prozessbegleitung und -beratung

Forschungskonsortium Pocket Mannerhatten, unter Leitung von tatwort Nachhaltige Projekte GmbH

Kosten und Finanzierung

Umsetzung im Rahmen des Programmes „Smart Cities Demo“ des Klima- und Energiefonds.



Ansprechpartner:in

Projektleitung

Susanne Lins

tatwort Nachhaltige Projekte GmbH
Haberlgasse 56/3
1160 Wien
+43 (0)650 2176599