Projektbeschreibung
Vor der umfassenden Umgestaltung des bis dahin nur als Parkplatz genutzten Nibelungenplatzes im Stadtzentrum Tullns erfolgte ein umfassender Bürgerbeteiligungsprozess darüber, wie und in welchem Ausmaß die Umgestaltung erfolgen soll. Der Prozess wurde professionell begleitet, erstreckte sich über mehrere Monate und wurde auf verschiedenen Kanälen online und offline durchgeführt. Am Ende stand eine Volksbefragung über den Umfang der Umgestaltung.
Anlass und Hintergrund
Im Frühjahr 2021 beschloss der Gemeinderat Tullns einstimmig, dass der als Parkplatz genutzte Nibelungenplatz im Stadtzentrum (in bester Lage zwischen Donaulände und Hauptplatz) umgestaltet werden soll. Neben den Zielen der Umgestaltung selbst – u.a. einen klimafitten Platz mit Vorbildcharakter zu schaffen – war ein zentrales Ziel für die Stadtgemeinde, die Bürger:innen über den Umfang der Umgestaltung entscheiden zu lassen und sie zur aktiven Mitgestaltung ihrer Stadt einzuladen. Daher wurde der Prozess unter dem Motto „Gemeinsam Platz machen“ durchgeführt.
Ziel(e)
- Bekenntnis und handfeste Maßnahme, um die Stadt klimafitter zu machen: Entsiegelung, mehr Grünraum, Optimierung des Mikroklimas, natürliche Beschattung etc.
- Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung für die Bedeutung klimafitter Städte und Plätze hinsichtlich des Klimawandels
- Vorbildwirkung für andere Städte
- Schaffung eines weiteren Erholungsraumes im Zentrum; attraktiver öffentlicher Raum, der zur gemeinschaftlichen Nutzung einlädt
- zusätzliche Attraktion für Gäste und Bürger:innen der Gartenstadt Tulln und somit Anziehungspunkt und Frequenzschaffung für die Innenstadtwirtschaft
Prozessdesign und Ablauf
Mitte / Ende April 2021: Projektwebsite und Projektzeitung #1
Mit 21. April ging die Projektwebsite www.tulln.at/nibelungenplatz online, die ab diesem Zeitpunkt stets die wichtigsten Informationen und Termine zum Projekt für die Bürger:innen bereitstellte. Die erste Projektzeitung wurde Ende April an jeden Haushalt der Stadtgemeinde Tulln verschickt, lag im Bürgerservice des Rathauses auf und stand auf der Projektwebsite zum Download. Die Zeitung informierte umfassend über den Planungs- und Beteiligungsprozess in seiner Gesamtheit. Außerdem beinhaltete sie eine Antwortkarte („Dialogkarte“), über welche die Bürger:innen ihre ersten Gedanken und Ideen zum Platz kostenlos an das Rathaus senden konnten.
Mitte April bis Mitte Juni 2021: Phase der „1000 Ideen“
In dieser Phase des Beteiligungsprozesses konnten Ideen und Anregungen zur Zukunft des Platzes abgegeben werden – mit erstaunlicher Resonanz: Innerhalb von acht Wochen haben sich über 1.000 Personen eingebracht. Ein breites Spektrum an Vorstellungen und Anliegen konnte so gesammelt werden und bildete ein vielfältiges Ideendepot für die weitere Bearbeitungsphase. Die wichtigsten Ergebnisse wurden in einer Dokumentationsbroschüre zusammengefasst.
Das waren die Dialogmöglichkeiten in der Phase der „1000 Ideen“:
- Online-Dialog für Information und Austausch: digitale Umfrage, wie die Bürger:innen den Platz aktuell sehen und was er in Zukunft bieten soll.
- Analoge Dialogkarte aus der Projektzeitung: Mit der Dialogkarte am Umschlag der ersten Projektzeitung konnten Ideen in analoger Form eingebracht werden.
- Dialograd: Mit dem Dialograd – einem mobilen Infostand – gab es Informationen und Dialog direkt vor Ort in verschiedenen Stadtteilen, um persönlich mit den Bürger:innen ins Gespräch zu kommen.
Ende Juli bis Ende August 2021: Freiluft-Ausstellung
Die Ergebnisse der Phase der „1000 Ideen“ wurden in einer Freiluftausstellung am Hauptplatz gezeigt. Alle Bürger:innen sollten darüber informiert werden, was zum Projekt eingebracht wurde.
Ende August 2021: Perspektivenwerkstatt und Stadtforum #1
Im Rahmen der dreitägigen Werkstatt trafen drei qualifizierte Planungsbüros zunächst auf Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung sowie auf Anrainer:innen und Interessengruppen aus den Bereichen Tourismus, Kultur und Wirtschaft und es wurde erneut über Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten diskutiert. Auf dieser Basis erstellten die Landschaftsarchitekturbüros verschiedene Ideenskizzen, die bei einer eigenen Veranstaltung, dem „Stadtforum #1“, der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Die Besucher:innen konnten mit den Planer:innen in persönlichen Austausch treten und Inputs geben. Am letzten Tag der Werkstatt wurden die Ansätze noch einmal mit den Vertreter:innen aus Politik, Verwaltung, Anrainer:innen und Interessengruppen diskutiert und erste grobe Überlegungen zu einer möglichen Umgestaltung in unterschiedlichen gestalterischen und finanziellen Größenordnungen angestellt.
Herbst 2021: Professionelle Aufbereitung in drei Varianten
Auf der Grundlage der breit angelegten Bürgerbeteiligung wurden von dem Planungsbüro „Raumposition“, das den Prozess gesamtheitlich begleitet, in Zusammenarbeit mit den Planungsbüros der Perspektivenwerkstatt drei Vorschläge unterschiedlichen Umfangs ausgearbeitet. Diese Vorschläge wurden auch von allen politischen Parteien in Arbeitsgesprächen diskutiert.
17. November 2021: Stadtforum #2
Die ausgearbeiteten Varianten wurden im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung und via Live-Stream über das Internet präsentiert und erneut persönlicher Austausch ermöglicht.
November 2021: Projektzeitung #2 und Brief an alle Wahlberechtigten
In einer zweiten Projektzeitung wurden die drei später zur Volksbefragung stehenden Varianten sowie viele weitere Informationen anschaulich aufbereitet. Die Projektzeitung wurde an jeden Haushalt in der Stadtgemeinde Tulln verschickt, war zudem im Bürgerservice des Rathauses erhältlich und stand auf der Projektwebsite zum Download zur Verfügung. Außerdem versandten alle im Gemeinderat vertretenen Parteien einen gemeinsamen Brief an alle wahlberechtigten Bürger:innen, um sie zur Teilnahme an der Volksbefragung einzuladen.
5. Dezember 2021: Volksbefragung zum Umfang der Umgestaltung des Nibelungenplatzes
Das Ergebnis: Die kleine Variante erzielte 20,33%, die mittlere Variante 20,22% und die große Variante 59,44% der abgegebenen Stimmen – das bedeutet, dass der Nibelungenplatz auf Bürgerentscheid nun gesamtheitlich umgestaltet wird.
Zusätzlich wurde der Prozess in den Medien der Stadtgemeinde Tulln (Bürgermagazin TULLN INFO, Newsletter, Presseaussendungen, Facebook, Instagram, Cities-App etc.) begleitet und auch dort laufend über die wesentlichen Meilensteine und Termine informiert.
Ergebnisse des Beteiligungsprozesses
- Über 1000 Personen haben sich in der Phase der „1000 Ideen“ eingebracht.
- Ca. 60 geladene Teilnehmer:innen (Politik, Verwaltung, AnrainerInnen, Interessengruppen) bei mehrtägiger Perspektivenwerkstatt (25.-27. August)
- Über 100 Teilnehmer:innen aus der Bevölkerung bei Veranstaltung „Stadtforum #1“ am 26. August
- Rd. 250 Teilnehmer:innen aus der Bevölkerung bei Veranstaltung „Stadtforum #2“ am 17. November (ca. 140 vor Ort, ca. 110 online via Live-Stream)
- Volksbefragung 5. Dezember: 3.710 abgegebene Stimmen (ca. 26% Wahlbeteiligung).
Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten
- Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, Wissensvermittlung
- Planung entsprechend der konkreten Bedürfnisse der künftigen Nutzer:innen
- Schaffung von Akzeptanz für mutiges Projekt durch demokratische Entscheidung
- Schaffung von Vertrauen in demokratische Prozesse und Steigerung Gemeinschaftsgefühl
Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned
Professionelle Begleitung zahlt sich aus.
Auftraggeber:in
Stadtgemeinde Tulln
Prozessbegleitung und -beratung
Raumposition OG
Kosten und Finanzierung
Stadtgemeinde Tulln, ca. € 100.000,-
Links
Downloads zum Thema
Ansprechpartner:in
Cornelia Hebenstreit
Minoritenplatz 1
3430 Tulln