Praxisbeispiel

Gmunden: Entwicklung der Klimastrategie 2030

Workshop mit vielen Teilnehmer:innen und Flipcharts
Umsetzungsworkshop (c) Richard Schachinger, Klimabündnis OÖ

Projektbeschreibung

Klimaschutz und Klimawandelanpassung gelingen, wenn die Bevölkerung die notwendigen Maßnahmen mitträgt und sie im besten Fall selbst vorgeschlagen hat. Um eine verbindliche Klimastrategie tatsächlich umsetzen zu können, braucht es bereits in der Entwicklungsphase die Blickwinkel aller von der Querschnittsmaterie betroffenen Bereiche der Stadtgemeinde. Diesem komplexen Zusammenspiel wurde mit einem vielfältigen Beteiligungsprozess Rechnung getragen.

Anlass und Hintergrund

Im Jahr 2019 marschierten mehr als 100 junge Menschen im Zuge der Fridays For Future Klimastreiks mehrmals vor das Gmundner Rathaus und demonstrierten für Klimaschutz. Sie forderten, den sogenannten Klimanotstand auszurufen. In Workshops einigte man sich auf den Gmundner Klimapakt, der am 26. Sept. 2019 einstimmig im Gemeinderat beschlossen wurde.

Demonstration für mehr Klimaschutz von Fridays for Future
Klimastreik Fridays for Future (c) Fridays For Future Gmunden

Durch die vereinbarten jährlichen Evaluierungen des Klimapaktes wurde klar, dass es eine deutlich verbindlichere Klimastrategie mit messbaren Zielen, konkreten Maßnahmen und machbaren Projekten braucht.

Die Stadtgemeinde zog ihr (mit dem ÖGUT Umweltpreis 2017 prämiertes) Beteiligungsmodell heran, um solch eine Klimastrategie auf eine breite und tragfähige Basis zu stellen. Auf Empfehlung des Ausschusses für Klimaschutz, Stadtteilentwicklung und Bürger:innen-Beteiligung beschloss der Gemeinderat im Dez. 2021 die Entwicklung der Klimastrategie Gmunden 2030 und die Einberufung eines Klimarates.

Am 26. Sept. 2022 wurde die Klimastrategie Gmunden 2030 im Gemeinderat verabschiedet. Bereits im Jänner 2023 nahm die Klimakoordinatorin der Stadtgemeinde Gmunden ihre Tätigkeit auf: Sie koordiniert seither die Umsetzung der Klimastrategie Gmunden 2030 und betreibt Bewusstseinsbildung für Klimaschutz und Klimawandelanpassung.

Ziel(e)

Die Klimastrategie Gmunden 2030 stellt einen umfassenden Maßnahmenkatalog für kommunalen Klimaschutz bzw. Klimawandelanpassung dar. Die Beteiligung der Bevölkerung sowie der relevanten Bereiche aus Politik und Verwaltung trägt bereits zur Bewusstseinsbildung bei.

Prozessdesign und Ablauf

Übersicht über Entwicklungsprozess der Klimastrategie (c) Ulrike Feichtinger

Der Start-Workshop

… diente zur Erhebung des IST-Zustandes in den vier Themenfeldern der Klimastrategie:

  1. CO2 neutrale Energie
  2. Bewusstseinsbildung, Beschaffung, Ernährung und Kreislaufwirtschaft
  3. Klimafreundliche Mobilität
  4. Boden, Raumplanung, Natur

In diesen Themenfeldern wurden Ideen und bestehende Ansätze für Klimaschutz und Klimawandelanpassung in der Gemeinde gesammelt.

Teilnehmer:innen waren Vorsitzende der betroffenen Ausschüsse, Verwaltung, Expert:innen regionaler Institutionen: KEM Traunstein (https://www.kem-traunsteinregion.at) LEADER Traunsteinregion (https://www.traunsteinregion.at) und Regionalmanagement OÖ (https://www.rmooe.at).

Die Kickoff-Veranstaltung

… leitete die offizielle Entwicklungsphase ein und brachte Gemeinderatsmitglieder mit weiteren Stakeholdern der Stadt in Verbindung. Im Format des World Cafés wurden die bestehenden Vorschläge in den vier Themenfeldern diskutiert, beraten, erweitert und ergänzt.

Kickoff-Veranstaltung der Klimastrategie
Begrüssung beim Kickoff zur Klimastrategie (c) Josef Aigner

Teilnehmer:innen:
Gemeinderatsmitglieder, Verwaltung, Fridays For Future, Parents For Future, Direktor:innen und Lehrer:innen von Klimabündnis-Schulen, Bürger:innen, die eine Idee für Gmunden eingebracht hatten, Expert:innen regionaler Institutionen

Die Klima-Ideen für Gmunden

… wurden in der Gemeindezeitung mittendrin und über Social Media Kanäle angekündigt. Die Stadt zog das bestehende Beteiligungsmodell https://mitgestalten.gmunden.at heran, in dem das äußerst niederschwellige Format „Idee für Gmunden“ https://mitgestalten.gmunden.at/idee-fuer-gmunden/ Bürger:innen animiert, formlos ihre Verbesserungsvorschläge und Anregungen an die Gemeinde heranzutragen. Wie im Beteiligungsmodell vorgesehen, prüfte der Beteiligungsausschuss alle eingelangten Ideen auf Gemeinwohl und rechtliche Vereinbarkeit. In Summe konnten 38 Klima-Ideen für Gmunden in die Entwicklung der Klimastrategie einfließen. Jene Bürger:innen, die diese Ideen eingebracht hatten, wurden eingeladen, sich aktiv in den weiteren Prozess einzubringen.

Teilnehmer:innen:
Bürger:innen mit einem Mindestalter von 16 Jahren und Hauptwohnsitz in Gmunden.

Zeitungsartikel zur Ideeneinreichung
Aufruf zu Klimaideen in „Mittendrin„

Der Klimarat

… beriet 1,5 Tage zu der Frage: „Wie schaffen wir es gemeinsam, Gmunden klimafreundlich zu machen? Was braucht es dazu von uns Gmundnerinnen und Gmundnern und was von der Stadtpolitik?“ Die Teilnehmer:innen wurden in Folge eingeladen, am Entwicklungsprozess der Klimastrategie aktiv mitzuwirken.

Teilnehmer:innen beim Klimarat Gmunden
Teilnehmer:innen am Klimarat (c) loop3

Bei der Präsentation der Ergebnisse im Zuge eines Klimacafés (Format World Café) nutzte das Publikum (rund 60 Personen) die Möglichkeit, bei vier Thementischen weitere Vorschläge zu machen, die ebenfalls protokolliert wurden und mit all den Ergebnissen des Klimarates zur Gänze in den Entwicklungsprozess der Klimastrategie einflossen.

Das Klimacafé nutzte Gmunden, um sich mit dem Bundesklimarat zu vernetzen: Dessen Projektkoordinatorin Mag.a Dr.in Ines Omann referierte, sie moderierte einen Thementisch mit Bürger:innen und nahm Gmundner Input mit nach Wien.

Klimacafe (c) Josef Aigner, Stadtgemeinde Gmunden

Teilnehmer:innen Klimarat:
17 Bürger:innen zwischen 17 und 84 Jahren. Sie hatten sich von den 250 zufällig ausgewählten und angeschriebenen Bürger:innen freiwillig zur Teilnahme gemeldet.

Teilnehmer:innen Klimacafé:
Teilnehmer:innen des Klimarates, Gemeinderatsmitglieder, Verwaltung, Expert:innen regionaler Institutionen, Presse, interessierte Bürger:innen, Projektleiterin des Bundesklimarates.

Thematische Workshops in Kleingruppen

… wurden in jedem der vier Themenbereiche der Klimastrategie durchgeführt. Nach fachlichem Input durch das Klimabündnis ergänzten die Teilnehmer:innen die bereits ausführlichen Listen an Vorschlägen und Ideen für Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung. In einem nächsten Schritt wurden jene Vorschläge bzw. Projekte weiterentwickelt, die aufgrund ihrer Wirksamkeit und Machbarkeit priorisiert worden waren. Insgesamt engagierten sich 120 Personen in diesen Workshops.

Teilnehmer:innen:
Gemeinderatsmitglieder, Verwaltung, Expert:innen regionaler Institutionen, interessierte Bürger:innen (Klima-Ideen und Klimarat)

Workshop mit vielen Teilnehmer:innen und Flipcharts
Umsetzungsworkshop (c) Richard Schachinger, Klimabündnis OÖ

Die Zusammenfassung der Ergebnisse

… der Workshops in den vier Themenbereichen machte sich das Klimabündnis zur Aufgabe. Das Ergebnis war ein zentrales online Dokument, das einer …

Online Begutachtung

… zugeführt wurde. Alle Personen, die in den vorangegangenen Schritten involviert waren, hatten vier Wochen lang Zeit, ihre Anmerkungen, konstruktive Kritik und Abänderungsvorschläge einzutragen. Außerdem wurden die einzelnen Maßnahmen der Zuständigkeiten von Ausschüssen zugeordnet.

Teilnehmer:innen:
Eingeladen waren alle Personen, die in den vorangegangenen Schritten involviert waren.

Abschluss und Beschluss

… der Klimastrategie fand im engeren Kreis des Gemeinderates statt. Der Klimaausschuss diskutierte die Ergebnisse der produktiven Begutachtungsphase und feilte am Wording der Präambel. Die Klimastrategie Gmunden 2030 wurde am 26. Sept. 2022 im Gemeinderat verabschiedet.

Präsentation der Klimastrategie mit Feichtinger und Krapf
Präsentation der Klimastrategie Gmunden 2023 (c) Josef Aigner, Stadtgemeinde Gmunden

Die feierliche Abschlussveranstaltung der Entwicklung der Klimastrategie Gmunden 2030 fand im Okt. 2022 im Rahmen der Jahrestagung des Klimabündnis OÖ im Stadttheater Gmunden statt.

Teilnehmer:innen:
Eingeladen waren alle Person, die in den vorangegangenen Schritten involviert waren.

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Neben dem sehr konkreten Ergebnis der Klimastrategie Gmunden 2030 wurde durch die intensive Beteiligung verschiedener Stakeholder und Bürger:innen ein Prozess der Bewusstseinsbildung angestoßen. Klimaschutz wird von Politik, Verwaltung und Bevölkerung als wichtiges Handlungsfeld auf kommunaler Ebene wahrgenommen.

Wie der Name der Klimastrategie Gmunden 2030 nahelegt, ist ein Umsetzungshorizont bis 2030 (also über die aktuelle Legislaturperiode hinaus) vorgesehen. Einige Punkte sollen stellvertretend für den Stand der Umsetzung aufgeführt werden:

  • Gmunden rief alle 250 Bediensteten der Stadt auf, Energiesparideen aus ihrem persönlichen Arbeitsumfeld zu Papier zu bringen (134 Einreichungen). Diese wurden an die zuständigen Ausschüsse zur Umsetzung weitergeleitet. Jede Energiesparidee ihrer Mitarbeiter:innen belohnte die Stadt mit einem 10-Euro-Gutschein.
  • Um Aufmerksamkeit für die Partizipation und das Engagement junger Menschen zu erzeugen, ehrte die Stadt bei der Jahrestagung des Klimabündnis OÖ die Green Peers-Gruppen von HAK Gmunden, BG/BRG Gmunden, BORG Schloss Traunsee.
  • Die Gmundner Bürger:innen erhielten mit Anfang 2023 eine hoch qualifizierte Ansprechperson und Ratgeberin im Stadtamt. Die von der Konrad Lorenz-Forschungsstelle kommende Biologin Dr.in Verena Pühringer-Sturmayr wurde Gmundens erste Klimakoordinatorin.
Ehrung der Green Peers (c) Josef Aigner, Stadtgemeinde Gmunden
Ehrung der Green Peers (c) Josef Aigner, Stadtgemeinde Gmunden
Verena Pühringer-Sturmayr im Profil
Verena Pühringer-Sturmayr (c) Foto: Daniela Matejschek
  • Der Ausschuss für Bürger:innen-Beteiligung befragte in einem Brainstorming seine 9 Schöff:innen*), wie Klima-Kommunikation gelingen kann, damit sie auch wirklich bei ihnen, den Bürger:innen, ankommt (Medien, Inhalte, journalistische Formate).

    *) zufällig ausgewählte Bürger:innen als zusätzliche Mitglieder des Beteiligungsausschusses laut Beteiligungsmodell.
  • Die Stadtgemeinde erarbeitete für 2023 einen Klimakommunikationsplan mit Publikationen, Vorträgen, Beteiligungsformaten und DIY-Workshops. Auf dem Programm stehen regelmäßige Berichte in der Gemeindezeitung und auf den Social Media Kanälen der Stadt. Die Klimaforscherin Prof. Helga Kromp-Kolb referierte am 15. März vormittags vor 400 Oberstufen-Schüler:innen und abends vor 230 Zuhörer:innen über konkrete Zugänge zu Klimaschutz vor Ort. Der Abendvortrag wurde aufgezeichnet und steht auf dem YouTube Kanal der Gemeinde zur Verfügung. Radmobilität konnte die Bevölkerung am Gemeinde-Rad-Tag erleben. Ein Fahrtechniktraining vermittelt klimaschonende Fahrweisen mit dem eigenen PKW. Die öffentliche ÖGUT Sanierungsberatung („Sanierungsparty“) stellt Sanierungsmaßnahmen (Dämmung, Fenstertausch, …) im Zusammenhang mit Heizungstausch im Einfamilienhaus in den Mittelpunkt.
gefüllter Vortragssaal
Vortrag Helga Kromp-Kolb im Stadtteater (c) Josef Aigner, Stadtgemeinde Gmunden
  • Für die Koordination der Umsetzung der Klimastrategie innerhalb der Stadtgemeinde wurde eine Koordinationsgruppe gebildet, die sich aus Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung zusammensetzt. Unter externer Moderation fokussiert sie auf Synergieeffekte, sinnvolle Zeitpläne und bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Die Koordinationsgruppe unterstützt zudem den Klimaausschuss beim regelmäßigen Monitoring der Umsetzung der Klimastrategie.
  • In der Klimastrategie Gmunden 2030 ist als eine Maßnahme der Bewusstseinsbildung ein Jugendrat vorgeschlagen worden. Dieser ist bereits beschlossen und wird im Mai 2023 durchgeführt. Zufällig ausgewählte Jugendliche beraten 1,5 Tage zur Fragestellung: „Wofür wollen wir uns als Jugendliche in Gmunden einbringen und wie kann uns die Stadtgemeinde dabei unterstützen?“

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Eine Klimastrategie, die mittels breiter Beteiligung entwickelt worden ist, findet mehr Akzeptanz als eine „von oben verordnete“ Roadmap. Über die Aktivierung der Bevölkerung wurde ein Prozess der Bewusstseinsbildung angestoßen, der nun mit dem Klima-Kommunikationsplan weiter unterstützt wird. Mehr dazu unter Lessons Learned.

Für die Durchführenden der externen Begleitung war die Verzahnung der unterschiedlichen Beteiligungselemente der Anlass zu positivem Feedback, dadurch sei ein deutlicher Mehrwert für die einzelnen Bausteine erwachsen.

Von den Teilnehmer:innen der unterschiedlichen Beteiligungsformate wurde das Gefühl von Selbstwirksamkeit und Ermächtigung rückgemeldet: „Ich kann endlich konkret etwas beitragen!“

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Eine Klimastrategie, die mittels breiter Beteiligung entwickelt worden ist, findet mehr Akzeptanz als eine „von oben verordnete“ Roadmap.

Durch die Einbindung der betroffenen Ausschüsse und Verwaltungsbereiche sind die festgehaltenen Maßnahmen aus dem jeweiligen Ressort heraus in die Klimastrategie eingeflossen und stellen keinen Auftrag „von außen“ dar.

Über die Aktivierung der Bevölkerung (Klima-Ideen und Klimarat) wurde ein Prozess der Bewusstseinsbildung angestoßen, der nun mit dem Klima-Kommunikationsplan weiter unterstützt wird. Die regionalen Institutionen KEM, LEADER und Regionalmanagement waren eingebunden und sind somit unterrichtet, welche Projekte die Stadtgemeinde in den kommenden Jahren plant.

Der Kontakt zu (Klimabündnis-)Schulen wurde intensiviert, pro Semester wird ein klimarelevanter Vortrag für Schüler:innen geplant: von der Stadtgemeinde organisiert und finanziert.

Für die Teilnehmer:innen des Klimarates war es besonders wichtig, dass ihre Ergebnisse ganz konkret in die Entwicklung der Klimastrategie eingeflossen sind. Sie hatten das Gefühl, dass ihre Arbeit und ihre Vorschläge unbedingt ernstgenommen wurden. (Im Dokument der Klimastrategie wurden die Vorschläge aus der Bevölkerung eigens markiert, um diese Beteiligung sichtbar zu machen.)

Die Jury des ÖGUT Umweltpreises 2022 für Partizipation überzeugte die Verbindung von bottom-up und top-down Maßnahmen und die Verbindlichkeit der Klimastrategie. Auch die Art und Weise, mit der Gmunden auf die gesellschaftliche Herausforderung und eine Protestbewegung „von unten„ reagiert, war Grund für die Verleihung des Preises. Damit könne die Stadt Gmunden für andere Gemeinden eine Vorbildrolle einnehmen.

Verleihung des ÖGUT-Umweltpreises für Partizipation
Verleihung des ÖGUT-Umweltpreises für Partizipation (c) Katharina Schiffl

Auftraggeber:in

Stadtgemeinde Gmunden: Ressort für Klimaschutz, Stadtteilentwicklung und Bürger:innenbeteiligung

Prozessbegleitung und -beratung

Entwicklung der Klimastrategie: Klimabündnis OÖ.
Moderation Klimarat: loop3

Kosten und Finanzierung

€ 25.000           Begleitung für Entwicklung der Klimastrategie – Klimabündnis OÖ
€   5.000           Moderation und Endbericht für Klimarat ­– loop3
€ 15.000           Förderung „Paris, wir kommen!“ – Klimaressort der oö. Landesregierung
€ 15.000           Stadtgemeinde Gmunden



Ansprechpartner:in

Vizebürgermeisterin

Ulrike Feichtinger

Stadtgemeinde Gmunden
Rathausplatz 1
4810 Gmunden
+43 650 460 4103