Praxisbeispiel

Care4GREEN: Partizipative Erhaltungspflege von Grüner Infrastruktur

Zu sehen sind zwei Menschen, die mit Gartenerde hantieren
Pflanzenworkshop (c) tatwort
Praxisbeispiel_Care4Green
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Projektbeschreibung

Im Rahmen des Forschungsprojektes Care4GREEN wurde ein Konzept zur partizipativen Einbindung engagierter Bewohner:innen in die Pflege von Grünflächen im privaten Wohnbau entwickelt.

Die Einbeziehung der Bewohner:innen in die Pflege des Gemeinschaftsgrüns wertet das Wohnumfeld auf, stärkt das Gemeinschaftsgefühl und fördert nachhaltige sowie lebenswerte urbane Räume durch umweltbewusste Grünraumpflege.

Anlass und Hintergrund

Um den negativen Auswirkungen des Klimawandels und urbaner Hitze entgegenzuwirken, gewinnt der Einsatz von Grüner Infrastruktur immer stärker an Bedeutung. Allerdings brauchen Grünflächen entsprechende Pflege und Wartung und kontinuierliches Engagement, um die kühlende Wirkung in der Stadt aufrechterhalten zu können. Häufig sind die üblichen Pflegeintervalle externer Unternehmen nicht ausreichend, was zu verkümmerten Grünflächen und Pflanzenausfällen aufgrund von Trockenheit führt, und in weiterer Folge die Qualität der Grünflächen beeinträchtigt.

Ein Lösungsansatz bietet das Konzept Care4GREEN, bei dem Bewohner:innen eingebunden werden, um Teile der Grünpflege in der eigenen Wohnhausanlage selbstständig zu übernehmen.
Die Vorteile dabei liegen auf der Hand:

  • Care4GREEN wertet die Grünflächen auf, die Ökosystemleistung kann voll entfaltet werden. Das ist nicht nur für die Stadt wichtig, sondern hat auch einen positiven Effekt auf die Bewohner:innen, da beispielsweise keine teuren Klimaanlagen angeschafft werden (müssen).
  • Die Zufriedenheit und Identifikation der Bewohner:innen mit der Grün- und Wohnhausanlage steigt, was zu einer niedrigen Fluktuation führen kann. 
  • Care4GREEN fördert die Gemeinschaft und den Austausch zwischen den Bewohner:innen.

Hinsichtlich der beteiligten Akteur:innen im Projekt stehen vor allem die Bewohner:innen im Zentrum, sowie auch Bauträger und Hausverwaltungen, mit denen die Rahmenbedingungen zur Umsetzung zu klären sind. Auch sollte die in der Ziel-Liegenschaft bisher aktive Grünpflege-Firma in manche Projektschritte, wie der Analyse bisheriger Grünpflege-Tätigkeiten, inkludiert werden.

Ziel(e)

  • Durch einen co-kreativen, partizipativen Ansatz sollen die begrünten Freiflächen im Wohnbau erhalten bleiben und sich verbessern. Die Verbesserung bezieht sich dabei auf das Wohlbefinden der Nutzer:innen und die Biodiversität.
  • Durch Care4GREEN sollen Hausverwaltungen und Bauträger Handlungsanweisungen bekommen, wie sie das Konzept der partizipativen Grünpflege in ihren Liegenschaften umsetzen können und welche rechtlichen Bestimmungen beachtet werden müssen. Dadurch werden auch Vorbehalte auf Seiten der Immobilienwirtschaft ausgeräumt.
  • Das Pflanzenwachstum soll durch fachgerechte Pflegemaßnahmen gefördert und die Biodiversität durch die Schaffung von hochwertigem Grün erhöht werden.
  • Die Frequenz und Aufenthaltsdauer der Nutzer:innen soll sich durch Care4GREEN erhöhen.

Prozessdesign und Ablauf

Das Care4GREEN-Konzept in Abbildung 1 wurde im Rahmen des Forschungsprojektes in drei Wiener Demo Cases getestet.

Im ersten Schritt – der Bestands- und Bedarfsanalyse – wurden in leitfadengestützten qualitativen Interviews sowie einer quantitativen Online-Umfrage die Hausverwaltungen sowie Bewohner:innen der Demo Cases befragt. Es wurde geklärt:

  • wie die Bewohner:innenstruktur aussieht,
  • wer im Haus Schlüsselpersonen sind,
  • wie zufrieden die Bewohner:innen mit den bisherigen Grünpflegeaktivitäten waren,
  • welche Herausforderungen in der Gemeinschaft und Kommunikation es bisher gab,

Zudem wurden in den Demo Cases Grünpflegeaktivitäten, die bisher Unternehmen leisteten, sowie der Gestaltungsspielraum für Aufwertungen im Garten analysiert.

Die Grafik zeigt die einzelnen Schritte des Care4GREEN-Projekts, so wie im Text beschrieben
Abbildung 1: Das Care4GREEN-Konzept, welches an 3 Standorten im Rahmen des Forschungsprojektes getestet wurde (c) tatwort

Im zweiten Schritt wurden in den Demo Cases Visionsworkshops umgesetzt, bei denen Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner:innen identifiziert und mit Umsetzungsmöglichkeiten in Einklang gebracht wurden. Die Ergebnisse der sozialen Analyse sowie der Analyse der Grünstrukturen aus Schritt 1 flossen in die inhaltliche Planung des Workshops mit ein. Auf Basis des Visionsworkshops wurden Pflege- und Einbindungskonzepte für die jeweiligen Demo Cases erstellt.

Bei den Praxisworkshops zur co-kreativen Umsetzung neuer Grünflächen und Grünstrukturen in Schritt 3 wurden in zwei Vegetationsperioden in insgesamt acht Workshops neue Grüne Infrastrukturen in den jeweiligen Demo Cases umgesetzt, Pflegeanleitungen gegeben, die eigens entwickelte, digitale Care4Green Lernplattform integriert und vieles mehr. Für jede Liegenschaft wurde ein Pflege-Handbuch und eine To-Do Liste zur Gartenpflege erstellt. Dies sollte die Bewohner:innen dazu befähigen, während und nach dem Projektzeitraum Gartentätigkeiten eigenständig umzusetzen, ohne auf die Hilfe von externen Professionist:innen angewiesen zu sein.

Eine Bewohnerin setzt Pflanzen in ein Bodenbeet. © tatwort
Eine Bewohnerin setzt Pflanzen in ein Bodenbeet. © tatwort

Parallel zu den einzelnen Projektschritten wurden auch Anreize erarbeitet, wie Bewohner:innen in den Garten „gelockt“ werden können. Dabei haben sich als Motivator vor allem Hochbeete als attraktive Möglichkeit bewährt.

Zudem wurde in den Workshops ein extra entwickelter digitaler Gartenplaner getestet, der Bewohner:innen helfen sollte, die Gartenpflege-To-Dos untereinander zu organisieren und aufzuteilen.

Das Care4Green Team entwickelte für Hausverwaltungen und Bauträger über den Projektzeitraum rechtliche Grundsätze zur gemeinschaftlichen Grünpflege wie z.B. Musterverträge.  

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Es zeigt sich deutlich, dass selbst eine kleine, engagierte Kerngruppe einen erheblichen Unterschied in der Umsetzung eines Projekts wie Care4GREEN bewirken kann. Die intrinsische Motivation und Leidenschaft der Beteiligten bei der Gartenpflege und -gestaltung reduzieren den Koordinierungsaufwand erheblich. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, trägt die Beteiligung der Bewohner:innen nicht nur zur sozialen Innovation und Verbesserung des Hausgemeinschaftsaustausches bei, sondern hat auch einen signifikanten Einfluss auf die Biodiversität im Gemeinschaftsgarten.

Weiters hat sich ergeben, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen möglichst sicher und einfach gestaltet werden müssen, um von Bauträger:innen/Hausverwaltungen und Bewohner:innen angenommen zu werden. Komplexe Regelungen rufen bei Bauträger:innen/Hausverwaltungen die Angst vor ungewollten Rechtsfolgen und vermehrtem administrativen Aufwand hervor, bei Bewohner:innen können sie Schwellenangst bewirken.

Das Care4GREEN-Konzept verdeutlicht eindrucksvoll, dass durch eine partizipative Erhaltungspflege mit einem überschaubaren Regelwerk und Aufwand ein maximaler Nutzen erzielt werden kann. Der Garten blüht auf, wird zum Ort der Entspannung und des nachbarschaftlichen Austauschs, während die Biodiversität zunimmt. Dies führt zu einem Win-Win-Win-Szenario, indem Menschen, Pflanzen und Tiere gleichermaßen profitieren und somit die Wohnzufriedenheit auf ein neues Level gehoben wird.

Mehr Infos dazu sind in den Guidelines für Hausverwaltungen und Bauträger zu finden.

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Die Beteiligung der Bewohner:innen dient nicht nur als Mittel zum Zweck, sondern zielt darauf ab, sie möglichst frühzeitig in den Prozess der Umgestaltung und Aufwertung des Gemeinschaftsgrüns einzubinden. Dies fördert die Identifikation mit dem Grünraum und ermöglicht die Bildung einer funktionierenden Interessensgemeinschaft und Gartengruppe. Dadurch wird der Zusammenhalt und das soziale Gefüge in der Hausgemeinschaft gestärkt. Im Rahmen der Entwicklung und Erprobung des Care4GREEN-Konzepts wurden kontinuierlich Fokusgruppen und Feedbacktermine durchgeführt, um Verbesserungspotenziale zu identifizieren und in das finale Abschlussdokument (Guidelines für Hausverwaltungen und Bauträger) zu integrieren.

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

  • Eigendynamik und „Versuchsflächen“ zulassen: Auf frei nutzbaren Bereichen im Garten können Bewohner:innen neue Pflanzenarten oder ökologische Techniken testen. Solche Bereiche können auch Orte für spontane Treffen, Diskussionen und den Austausch von Ideen sein.
  • Bereitstellung einer Basis-Infrastruktur (z. B. Garten-Werkzeug oder Stauraum), um so die Selbstorganisation der Bewohner:innen zu unterstützen.
  • Rahmenbedingungen der Vor-Ort-Workshops mit Bewohner:innen vorab mit Hausverwaltung abstecken.
  • Den Bewohner:innen immer wieder die Zuständigkeiten der Player (Projektteam, Hausverwaltungen, externe Grünpflegefirmen, Bewohner:innen selbst) kommunizieren.
  • Laufende Anpassung der Workshops (z. B. die Frequenz), wenn sich Wünsche und Vorstellungen der Bewohner:innen ändern.
  • Ein digitaler Gartenplaner bewährt sich eher bei großen Liegenschaften, da die Bewohner:innen in kleinen Häusern sich eher selber organisieren können.

Auftraggeber:in

  • Klima- und Energiefonds (Programm-Management)
  • Forschungsförderungsgesellschaft (operative Durchführung)

Prozessbegleitung und -beratung

Forschungskonsortium:

  • tatwort Nachhaltige Projekte GmbH
  • Ralf Dopheide e.U.
  • Universität für Bodenkultur – Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau
  • Grün statt Grau Forschungs- und Innovations GmbH
  • Fluxguide Ausstellungssysteme
  • Rechtsanwalt Peter Skolek

Kosten und Finanzierung

Das Projekt Care4GREEN wurde aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Smart Cities Demo – Boosting Urban Innovation 2020“ durchgeführt.



Ansprechpartner:in

Projektmanagement, tatwort Nachhaltige Projekte GmbH

Susanne Lins

Haberlgasse 56/3
1160 Wien, Österreich
+43 1 409 55 81-215