Praxisbeispiel

Bürgerrat Ernährung des Deutsches Bundestages

Eine Gruppe von Menschen von oben fotografiert
Gruppenbild Bürgerrat Ernährung des Deutschen Bundestages (c) Deutscher Bundestag/Mehr Demokratie
Bürgerrat Ernährung des Deutschen Bundestages
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LAND / BUNDESLAND
Deutschland, Bundesweit
Tagungsort Berlin
DAUER
09/2023 - 01/2024

Projektbeschreibung

Mit dem Bürgerrat „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ hat der Deutsche Bundestag erstmalig einen Bürgerrat eingesetzt. Die 160 Mitglieder des Bürgerrates wurden in einer gestuften Zufallsauswahl aus allen Einwohnerinnen und Einwohnern Deutschlands ab 16 Jahren ausgelost. Kernelement des Bürgerrates war der informierte sachliche Austausch von Argumenten im Plenum und vor allem in Kleingruppen. Unterstützt wurde die Diskussion durch ein professionelles, neutrales Moderationsteam. Die Wissensvermittlung erfolgte durch die Einbindung von Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis. Im Rahmen des Prozederes verabschiedeten und priorisierten die Teilnehmenden neun Empfehlungen an den Deutschen Bundestag. Diese Empfehlungen sind für die Abgeordneten nicht bindend, sondern stellen einen Impuls für die politische Diskussion dar.

Anlass und Hintergrund

Der Deutsche Bundestag hat am Ende der 19. Wahlperiode auf Initiative seines damaligen Präsidenten Wolfgang Schäuble einen bundesweiten Modellbürgerrat zum Thema „Deutschlands Rolle in der Welt“ beobachtend begleitet, um dieses Beteiligungsinstrument als Ergänzung der parlamentarischen Demokratie auf Bundesebene zu erproben. Der Koalitionsvertrag der Regierungsfraktionen im 20. Deutschen Bundestag sieht vor, die politische Entscheidungsfindung unter anderem durch die Einsetzung zufällig ausgeloster Bürgerräte zu verbessern. Nach Vorbereitung durch eine durch den Ältestenrat eingesetzte interfraktionelle Berichterstattergruppe hat der Deutsche Bundestag im Mai 2023 die Einsetzung des Bürgerrates „Ernährung im Wandel“ beschlossen.

(c) Deutscher Bundestag/Mehr Demokratie

Ziel(e)

Der Bürgerrat Ernährung sollte gemäß des Einsetzungsbeschlusses den Blick auf die im Alltag bereits stattfindenden Umbrüche in unserer Ernährung richten und die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger in die politische Debatte einbringen. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Rolle des Staates im Spannungsverhältnis zwischen individueller Freiheit und Verantwortung für die Gesellschaft liegen. Mit dem Bürgerrat verfolgte der Deutsche Bundestag das Ziel, ein genaues Bild davon zu bekommen, welche Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger für eine gesündere Ernährung wünschen oder welchen Beitrag sie selbst dafür bereit sind zu leisten.

Prozessdesign und Ablauf

Schematischer Ablauf des Bürgerrats über die Zeit
Prozessablauf Bürgerrat Ernährung des Deutschen Bundestages (c) Deutscher Bundestag/Mehr Demokratie

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Der Bürgerrat hat dem deutschen Bundestag am 20. Februar 2024 seine Handlungsempfehlungen in Form eines Bürgergutachtens vorgelegt. Entsprechend des Detailkonzeptes für den Bürgerrat wurden insgesamt neun konkrete Empfehlungen sowie eine übergreifende Empfehlung verabschiedet.

Das Bürgergutachten wurde am 14. März 2024 als Bundestagsdrucksache 20/10300 im Plenum beraten und anschließend federführend an den Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie mitberatend an die Ausschüsse für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Gesundheit, für Klimaschutz und Energie und den Finanzausschuss überwiesen. Die parlamentarische Beratung der Empfehlungen dauert derzeit noch an.

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Durch das Verfahren der Zufallsauswahl wird die Vielfalt der Gesellschaft abgebildet. Dadurch konnten Menschen in die Diskussion geholt werden, die sich in anderen Formaten nicht lautstark einbringen. Im Bürgerrat haben sich so Menschen mit verschiedenen Lebens- und Berufserfahrungen miteinander ausgetauscht, die sich anderenfalls kaum begegnet wären. Dadurch konnten Kompromisslinien und mehrheitsfähige Vorschläge sichtbar werden. Durch die Priorisierung der Empfehlungen erhielt der Deutsche Bundestag nicht nur ein Bild darüber, wie groß die Zustimmung zu einer Maßnahme ist, sondern auch, welche Empfehlungen den Bürgerinnen und Bürgern besonders wichtig sind.

(c) Deutscher Bundestag/Mehr Demokratie

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Die Beschränkung auf wenige finale Empfehlungen fokussierte die Diskussion des sehr breit angelegten Themas, sodass am Ende aussagekräftige und tiefgehende Empfehlungen standen, die auch entsprechend begründet wurden. Zudem erleichtert die handhabbare Anzahl der Kernforderungen die politische Diskussion der vorgeschlagenen Maßnahmen.

Ebenfalls bewährt hat sich die Bürgerlotterie, bei der der letzte Schritt der Zufallsauswahl als Auslosung per Hand erfolgt. Dies erzeugt mediale Aufmerksamkeit und der Livestream macht die Zufallsauswahl für alle potenziellen Teilnehmenden nachvollziehbarer.

Auftraggeber:in

Deutscher Bundestag

Prozessbegleitung und -beratung

Für Zufallsauswahl, Moderation und Dokumentation wurde die Stabsstelle Bürgerräte beim Deutschen Bundestag durch ein Konsortium von Mehr Demokratie e.V., nexus Institut für Kooperationsmanagement und interdisziplinäre Forschung GmbH, ifok GmbH und Institut für Partizipatives Gestalten GmbH unterstützt.

Der Bürgerrat wurde durch einen wissenschaftlichen Beirat begleitet. Dieser setzte sich aus elf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anerkannter Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammen, die von den Fraktionen des Deutschen Bundestages benannt wurden. Diese berieten bei der Auswahl der Expertinnen und Experten und gaben aus wissenschaftlicher Perspektive Rückmeldung zu den Empfehlungsentwürfen des Bürgerrates.

Der Prozess wird wissenschaftlich evaluiert durch das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung der Bergischen Universität Wuppertal und Verian.

Kosten und Finanzierung

Die Kosten trägt der Deutsche Bundestag. Die finalen Kosten sind noch nicht abschließend ermittelt.



Ansprechpartner:in

Stabstelle Bürgerräte
Platz der Republik 1
11011 Berlin
+49 30 227 32996