Praxisbeispiel

Bürger:innenrat „Faire Wahlen”

Flipchart: Fragestellung Faire Wahlen_broell.cc, Land Vorarlberg
Graphic Recording mit der Fragestellung (c) broell.cc, Land Vorarlberg
Praxisbeispiel_Faire Wahlen
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Projektbeschreibung

14 ausgewählte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Vorarlberg kamen für ein Wochenende zusammen um folgende Frage zu diskutieren: „Wie können ein fairer Wahlprozess und eine hohe Wahlbeteiligung gelingen?“. Es wurden Erkenntnisse erarbeitet, die bei zwei Bürgercafés der breiten Öffentlichkeit und Vertreter:innen aus der Politik präsentiert und ergänzt wurden. Außerdem bestand im Rahmen einer Onlinekonsultation auch für die Gesamtbevölkerung die Möglichkeit, sich einzubringen.

Anlass und Hintergrund

In Vorarlberg haben Bürger:innenräte (Methode: Wisdom Council) eine lange Tradition und werden gerne als Instrument von der Politik genutzt. Besonders ist aber, dass sie auch „von unten” initiiert werden können, wenn über 1000 Vorarlberger:innen eine Forderung danach unterzeichnen. Der hier beschriebene Bürger:innenrat ist durch das Engagement einer Initiativgruppe aus der Bevölkerung, dem BI-Team „Faire Wahlen“, entstanden. Ihr Wunsch: Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sollen Anspruch auf eine faire und chancengleiche Demokratie haben.

Ziel(e)

Die Fragestellung, zu der die Rät:innen diskutieren lautet: Wie können ein fairer Wahlprozess und eine hohe Wahlbeteiligung gelingen? Die Themen, die damit adressiert werden sollen sind u.a. (geringes) Vertrauen in die Politik, eine sinkende Wahlbeteiligung und auch Fragen der Wahlberechtigung. Wer darf und wer soll (bei Wahlen) mitbestimmen? Zur Ausgangsituation gehört aber auch, die Benachteiligung von kleineren, neuen Parteien oder auch die Frage, welche Rolle Geld im Wahlkampf spielt. Dahinter steckt die Frage, wie und welche Veränderung und Innovation möglich ist, die eine lebendige Demokratie braucht. Mehr dazu im Flyer der Bürger:innen-Initiative.

Prozessdesign und Ablauf

Der Bürger:innenratsprozess nach dem Vorarlberger Modell gliedert sich in mehrere Prozessschritte und mündet in dem Beschluss der Dokumentation durch die Landesregierung.

1. Bürger:innenrat

Nach einem internen Kick-Off und der Organisation startet der Prozess mit dem Eineinhalbtägigen Bürger:innenrat, bei dem sich 14 zufällig gewählte Bürgerinnen und Bürger intensiv mit dem Thema Faire Wahlen beschäftigten. Der Bürger:innenrat wurde mit der Methode Dynamic Facilitation moderiert.

2. Bürger:innencafé

Die Ergebnisse wurden von den Teilnehmenden des Bürger:innenrates öffentlich bei dem Bürger:innencafé im vorarlberg museum (Bregenz) präsentiert. Begrüßungsworte erfolgten durch Landtagspräsident Harald Sonderegger und Konrad Steurer von der Initiativgruppe „BI Faire Wahlen“. Rund 45 Personen nahmen an der Veranstaltung teil, tauschten sich über die Ergebnisse aus und reicherten die Ergebnisse durch weitere Perspektiven an. Wer räumlich unabhängig dabei sein wollte, hatte diese Möglichkeit beim digitalen Bürgercafé. Diesen digitalen Rahmen nutzten insgesamt rund 45 Personen.

3. Onlinekonsultation

Um auch weiteren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zur Mitsprache zu ermöglichen, gab es eine Onlinekonsultation zur selben Fragestellung. Außerdem wurden sämtliche Inhalte aus den bisherigen Prozessschritten auf der Plattform „Vorarlberg Mitdenken“ transparent und zugänglich gemacht.

4. Resonanzgruppe

Wie auch beim Kick-off wurden relevante Stakeholder und Vertreter:innen des Bürger:innenrats zum Treffen der Resonanzgruppe eingeladen. Ziel ist die Ergebnisse auf ihre Verwertbarkeit und Umsetzbarkeit zu prüfen sowie Anknüpfungsmöglichkeiten sichtbar zu machen.

5. Rückmeldung der Landesregierung

Die Ergebnisse der vorherigen Prozessschritte werden in einer Dokumentation gesammelt und den Teilnehmenden sowie der Landesregierung vorgelegt. Die Landesregierung behandelt die übermittelten Vorschläge. Im Anschluss erhalten die Bürger:innen eine Rückmeldung darüber, wie mit den Ergebnissen umgegangen wird.

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Es wurden Ideen und konkrete Vorschläge zu Faire Wahlen in Vorarlberg von den Teilnehmenden gemeinsam erarbeitet und in einer Dokumentation zusammengefasst. In folgenden Bereichen wurden 7 Haupterkenntnisse gewonnen:

  • Vertrauenskrise überwinden
  • Politische Bildung und Politik vermitteln
  • Wahlberechtigung
  • Digital wählen, zeitgemäß wählen
  • Gleichstellung wahlwerbender Gruppen
  • Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie
  • Verbesserung und Innovation der politischen Kultur

Die 7 Haupterkenntnisse aus dem Bürger:innenrat und dem Bürger:innencafé wurden auf der online Beteilgungsplattform vorarlberg.mitdenken.online dargestellt. Diese Ergebnisse wurden von der Landesregierung geprüft und in bestehende Maßnahmen eingepflegt bzw. für die Erarbeitung neuer Maßnahmen herangezogen. Eine öffentliche Rückmeldung ist auf https://vorarlberg.at/buergerrat zu lesen.
Zudem wurde bei den Teilnehmenden Bewusstsein geschaffen und durch die öffentliche Diskussion und breite Berichterstattung wurde die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert.

Teilnehmer:innen diskutieren, moderiert mit Dynamic Facilitation, (c) broell.cc, Land Vorarlberg

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Mit dem Bürger:innenratsprozess „Faire Wahlen“ wurden folgende Wirkungen angestrebt:

  • Beispielgebender Prozess zum Thema Faire Wahlen:
    Mit der Moderationsmethode (Dynamic Facilitation) und partizipativen Veranstaltungsformaten wird ein Diskussionsniveau erreicht, das sich durch Wertschätzung und Respekt gegenüber unterschiedlichen Sichtweisen und Standpunkten auszeichnet. Das Verbindende steht im Vordergrund, Konfliktthemen können konstruktiv erörtert werden. Unterschiedliche Akteur:innengruppen haben im Laufe des Prozesses Möglichkeiten sich einzubringen.
  • Maßnahmen rundum die Umsetzung von einem fairen Wahlprozess und zur Erhöhung der Wahlbeteiligung:
    Die Empfehlungen aus dem Bürger:innenrat werden aufgegriffen und auf ihre Umsetzungsmöglichkeiten geprüft. Die Vorarlberger Landesregierung setzt noch stärkere Beteiligungsmaßnahmen und einen stärkeren Fokus auf den Dialog mit Bürger:innen.
  • Ideen und konkrete Vorschläge zur zukünftigen Gestaltung des Wahlprozesses und Wahlbeteiligung
    in Vorarlberg aus Sicht der Bürger:innen sollten in den Planungsprozess zur Landtagswahl 2024 aufgenommen werden. So entsteht eine wertvolle Ergänzung zur bestehenden Fachexpertise.
  • Eine weitere angestrebte Wirkung ist die Bewusstseinsbildung bei den Teilnehmenden:
    Immer wieder wurde festgestellt, dass die Teilnahme bei einem Bürger:innenrat verstärktes Interesse an Politik, erhöhter Wille zu freiwilligem Engagement und (themenabhängige) Bewusstseinsbildung forciert. Diese möglichen Effekte können als wertvoll für eine nachhaltige Gesellschaftsentwicklung gewertet werden.
  • Sensibilisierung der öffentlichen Meinung für das Thema Wahlrecht und Wahlbeteiligung:
    Der Prozess sollte dazu beitragen, demokratisches Bewusstsein wieder verstärkt in den öffentlichen Diskurs zu bringen und die thematische Vielfalt aufzeigen.

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Wie bereits bei vorhergehenden Bürger:innenräten hat auch der Bürger:innenrat „Faire Wahlen“ deutlich gezeigt, dass ein Gruppenprozess Raum bietet damit Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen gut und wirksam miteinander zusammenarbeiten können. Die Teilnehmenden gaben positive Rückmeldungen über den Prozessablauf, die Moderator:innen und das Format im Allgemeinen. Die unterschiedlichen Sichtweisen der Gruppe wurden als sehr wertvoll bezeichnet.

Lessons learned für die Organisation sind:

  • Es wird nicht mehr in 2 Gruppen parallel gearbeitet. Eine Zusammenführung der unterschiedlichen Gruppenergebnisse ist damit nicht mehr notwendig.
  • Seit dem letzten BR wurde ein zweistufiges Auswahlverfahren eingeführt, bei dem zusätzliche Kriterien abgefragt werden und somit eine größere Heterogenität erreicht wird
  • Die Informationsphase für die Teilnehmenden wurde erweitert und ergänzt: Es gibt mittlerweile einen „Informations-Monat„ bei dem unterschiedliche Perspektiven und Informationen zum jew. Thema (meist in Videoformat) bereitgestellt werden.
  • Es braucht generell eine stärkere Kommunikation zum Instrument „Bürger:innenrat“ für verschiedene Zielgruppen (nicht nur potentielle Teilnehmer:innen). Derzeit sind wir in der Erarbeitung eines umfassenden Kommunikationskonzept zum Thema, welches sich in unterschiedliche Zielgruppen aufsplittet.

Auftraggeber:in

Landeshauptmann Markus Wallner, Vorarlberger Landesregierung

Prozessbegleitung und -beratung

Martina Eisendle, Markus Götsch, Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung

Kosten und Finanzierung

Weitere Kosten beliefen sich auf 11.480,–



Ansprechpartner:in

Leiter des Büros für Freiwilliges Engagement und Beteiligung

Michael Lederer

Büro für Freiwilliges Engagement und Beteiligung
Jahnstraße 13-15
6900 Bregenz
+43 5574 511 20605