Praxisbeispiel

50 Grüne Häuser

Pflanztröge zur Fassadenbegrünung
BeRTAs im Einsatz (c) Julia Beck, tatwort
Praxisbeispiel_50 Grüne Häuser
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Projektbeschreibung

Wien und andere Städte bieten viele Möglichkeiten für Gebäudebegrünung. Doch um Gebäude entlang von Straßenzügen kostengünstig und rasch zu begrünen, gab es bisher keine technisch einfach umsetzbare Gesamtlösung. Außerdem waren die notwendigen Abwicklungs- und Genehmigungsprozesse relativ komplex. Im Rahmen von „50 Grüne Häuser“ wurde gemeinsam mit Stakeholdern eine Prozess- und Produkt-Innovation entwickelt, welche beide diese Hürden überwindet: Das BeRTA-Modul mit dem dazugehörigen Planungsprozess.

Anlass und Hintergrund

Klimaprognosen für Mitteleuropa zeigen, dass wir uns künftig auf heißere Sommer einstellen müssen. Eine effektive Methode zum Kühlen bestehender Quartiere und Straßenzüge sind straßenseitige Fassadenbegrünungen. Doch obwohl es großes Potenzial für Grünfassaden an bestehenden Gebäuden gibt, existierte bis zum Beginn des Projektes „50 Grüne Häuser“ im Jahr 2018 dafür noch keine kostengünstige, einfach umsetzbare Gesamtlösung.

Ziel des Projektes „50 Grüne Häuser“ war es daher, gemeinsam mit der Stadt Wien, erstmals eine integrierte All-in-One-Lösung für unkomplizierte Fassadenbegrünungen an Bestandsgebäuden zu entwickeln und zu erproben. Zu Beginn des Forschungsprojektes wurden technische und ökologische Anforderungen in Abstimmung mit der Verwaltung und künftigen NutzerInnen erhoben. Auf Basis dessen wurde ein Web-Tool sowie das BeRTA-Grünfassadenmodul entwickelt. Im Frühjahr 2019 konnten sich Hausgemeinschaften in Wien-Favoriten per Web-Tool um den Erhalt der ersten BeRTA-Grünfassadenmodule bewerben und im November 2019 wurden die ersten 50 Prototypen an neun Gebäuden installiert. Diese wurden bis zum Sommer 2021 durch ein sozialwissenschaftliches und ein vegetationstechnisches Monitoring begleitet, wodurch ein gutes Wachstum der Pflanzen und eine sehr hohe Zufriedenheit der BewohnerInnen mit den Grünfassaden festgestellt werden konnte.

Der Bedarf an kostengünstiger und einfach umzusetzender Begrünung ist enorm, wie die Nachfrage zeigt: Über 700 InteressentInnen meldeten sich für die Vergabe der ersten 50 Module. Seit Mai 2020 sind die BeRTA-Module daher – zu vergleichsweise niedrigen Kosten – über eine eigenständige Website www.berta-modul.at für ganz Wien erhältlich. Im Frühjahr 2023 werden Fassadenbegrünungen mit BeRTA in weiteren zehn österreichischen Gemeinden umgesetzt.

Ziel(e)

Im Rahmen von „50 grüne Häuser“ wurde erstmals – in Abstimmung mit der Stadt Wien – eine integrierte Kombi-Lösung für troggebundene Grünfassaden als All-In-One Paket entwickelt. Diese besteht aus zwei Komponenten:

  1. dem BeRTA-Modul (Begrünung, Rankhilfe, Trog, All-In-One), einer einfachen, kostengünstigen, breit implementierbaren Pflanzentrog-Lösung mit Rankhilfen und Wartungskonzept, die für die Spezifika des Bestandes und den Einsatz auf öffentlichem Grund ausgelegt, aber auch im Innenhof/Privatgrund anwendbar ist.
  2. dem BeRTA-Webtool, durch das alle Informationen für Planung und Genehmigung im BeRTA-Prozess erhoben und aufbereitet werden.

Zentral war dabei die intensive Abstimmung mit den betroffenen Personen – v.a. Begrünungsinteressierte, aber auch die Mitarbeitenden der Dienststellen der Stadt Wien, sowie ausführende Unternehmen, um ein holistisches Gesamtkonzept zu entwickeln und umzusetzen.

Veranstaltung zur Übergabe der BeRTAs (c) Foto: trash flash Studio

Prozessdesign und Ablauf

Vorbereitung und Erhebung (Juli 2018 bis Juli 2019):
Zu Beginn des Projektes wurden gezielte Erhebungen in Form von Interviews und Fokusgruppen mit den beteiligten Verwaltungs-Dienststellen durchgeführt, um die Anforderungen und Genehmigungsabläufe der Stadt Wien zu analysieren. Außerdem wurden die Bedürfnisse und Möglichkeiten seitens der Gebäude-BewohnerInnen und EigentümerInnen sowie Hausverwaltungen erhoben, um das All-In-One Gesamtkonzept möglichst gut an die Bedürfnisse der StakeholderInnen anzupassen. Dazu wurden 90 Interviews geführt. Parallel dazu wurde eine Analyse der geeigneten Materialien für troggebundene Fassadenbegrünung hinsichtlich ökologischer Kriterien durchgeführt.

BeRTA-Grünfassadenmodul und BeRTA-Web-Einreichtool (Juli 2018 bis März 2019)
Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde erstmals – in Abstimmung mit der Stadt Wien – eine integrierte Kombi-Lösung als All-In-One Paket entwickelt: Das BeRTA-Grünfassadenmodul sowie das Web-Einreichtool. Diese Entwicklung wurde ebenfalls von partizipativen Maßnahmen gegleitet; es fanden mehrere Fokusgruppen statt.

50 Grüne Häuser in Favoriten: Bewerbung, Teilnahme und Auswahl (Februar 2019 bis September 2019)
EigentümerInnen, MieterInnen und Hausverwaltungen konnten sich im Frühjahr 2019 online auf www.50gh.at für die ersten 50 Prototypen des BeRTA-Grünfassadenmoduls bewerben, die kostenlos über das Forschungsprojekt vergeben wurden. Ein Online-Formular führte Interessierte schrittweise durch die Einreichung und fragte rasch und unkompliziert alle erforderlichen Daten ab. Es wurde zudem eine Hotline für Fragen zum Modul und zum Einreich-Prozedere eingerichtet. Eine Fachjury wählte im Anschluss anhand transparenter Kriterien die Gebäude für die Umsetzungen aus, ausschlaggebend dabei waren vor allem:

  • die Lage des Gebäudes (Innerfavoriten, wo die Problematik der „Urban Heat Islands“ besonders drängend ist)
  • eine möglichst breite Zustimmung im Haus (mindestens die einfache Mehrheit)
  • die Bereitschaft, die Pflege selbst zu übernehmen.

Die eingegebenen Informationen halfen den ExpertInnen des Teams von „50 Grüne Häuser“ die individuelle Modul-Konfiguration für den jeweiligen Standort zu wählen: Je nach Standort und Beschaffenheit der Fassaden wurden passende Pflanzen und gegebenenfalls eine Rankhilfe zur Verfügung gestellt.

Errichtung und Übergabe der BeRTA-Grünfassadenmodule (November 2019)
Die ersten BeRTA-Begrünungen wurden im November 2019 an neun Gebäuden errichtet. Die Entscheidung, neun Gebäude mit jeweils mehreren BeRTA-Grünfassadenmodulen zu bestücken, hat viele Vorteile: Mehr BeRTAs pro Standort haben einen höheren Effekt auf das Mikroklima und leisten bessere Kühlung im Sommer. Auch aus wissenschaftlicher Perspektive ist es hilfreich, pro Gebäude mehrere BeRTA-Tröge und Pflanzen beobachten zu können.

Begleitet wurde das gesamte Projekt von umfassenden Kommunikationsmaßnahmen, um Aufklärungsarbeit zu leisten und das Projekt bekannt zu machen sowie einem eigenen Arbeitspaket, das sich mit sämtlichen rechtlichen Bedingungen auseinandersetzt.

Vertreter:innen der ausgewählten Hausgemeinschaften wurden zu einem Vernetzungstreffen eingeladen, um Informationen zu erhalten, sich auszutauschen und mögliche Bedenken zu besprechen.

Begleitendes sozialwissenschaftliches und vegetationstechnisches Monitoring (November 2019 bis Juni 2021)
Vom Herbst 2019 bis Sommer 2021 lief die Evaluierung: Vegetationstechnische Messungen gaben Aufschluss über den Zustand der Pflanzen und in einem sozialwissenschaftlichen Monitoring wurde mittels Befragungen die Einschätzung der HausbewohnerInnen und Pflegebeauftragten erhoben. Dabei ging es unter anderem um die Erwartungen an die Grünfassade und die sozialen Auswirkungen im Gebäude bzw. in der Nachbarschaft. Die Ergebnisse zeigten eine hohe Zufriedenheit mit dem Prozess und dem BeRTA-Modulsystem insgesamt. Die Pflanzen sind generell gut angewurzelt und entwickelten sich seit dem Start der Vegetationsperiode 2020 ausgezeichnet. Vereinzelt gab es Probleme mit Vandalismus und Müll in den Pflanztrögen, dies konnte beispielsweise durch das Anbringen von Aschenbechern in der Nähe reduziert werden. Allgemein lässt sich feststellen, dass zuvor gehegte Befürchtungen nicht oder nur selten und in geringerem Maße eingetroffen sind und die Grünfassaden als sehr positiv wahrgenommen werden.

Weiterentwicklung des Projektes seit 2021
Aufgrund des hohen Interesses an der Grünfassadenlösung wurde noch während der Projektlaufzeit des Forschungsprojektes die Website www.berta-modul.at gelauncht, über die Grünfassaden inkl. Beratung, Planung, Einreichung der Genehmigung und Förderung sowie Errichtung bestellt werden können.

Das Angebot wurde seither weiterentwickelt und um das PeTER-Modul ergänzt, das eine günstigere Variante zum selbst Aufstellen auf Privatgrund in ganz Österreich darstellt.

In neun österreichischen Städten und Gemeinden läuft in den Jahren 2022 und 2023 eine Pilotaktion, die die dortigen Genehmigungsprozesse untersucht und vereinfacht, und im Rahmen derer weitere Grünfassaden umgesetzt werden. Ebenso wurden in Graz erste BeRTA-Module errichtet.

Sammlung der Befragungsergebnisse (c) Foto: Regina Arnberger, tatwort

Ergebnisse des Beteiligungsprozesses

Generell wurden vier unterschiedliche Gruppen im Rahmen der Partizipation involviert.

  • Menschen, die bereits Erfahrungen mit Grünfassaden hatten bzw. sich generell für Grünfassaden interessieren: Diese wurden im Rahmen von Interviews (aktivierende Befragung) zu ihren Wünschen, Bedenken und Erfahrungen konsultiert. Anschließend wurde das Konzept im Rahmen einer Fokusgruppe mit einigen der Befragten geprüft und nochmals überarbeitet.
  • Mitarbeitende in den betroffenen Dienststellen der Stadt Wien: Hier wurde im Rahmen von Einzelgesprächen eruiert, welche Anforderungen an troggebundene Grünfassaden bestehen. Diese Ergebnisse wurden sowohl in das Trog-Design als auch in die Konzeption der Abfragen auf berta-modul.at eingearbeitet.
  • ExpertInnen für Begrünungsprodukte: Diese Personen arbeiteten an der Trog-Entwicklung, speisten aber im Rahmen des Partizipationsprozesses auch ihre fachliche Perspektive in die Prozessinnovation ein.
  • Menschen, die in Innerfavoriten leben, und sich für den Erhalt von Grünfassaden-Modulen interessierten.

Eine Fachjury wählte nach Abschluss der Einreichungsphase anhand transparenter Kriterien die Gebäude für die Umsetzungen aus. Ausschlaggebend dabei waren vor allem:

  • die Lage des Gebäudes (Innerfavoriten, wo die Problematik der „Urban Heat Islands“ besonders drängend ist)
  • eine möglichst breite Zustimmung im Haus (mindestens die einfache Mehrheit)
  • die Bereitschaft, die Pflege selbst zu übernehmen.

Die eingegebenen Informationen halfen den ExpertInnen des Teams von 50 grüne Häuser die individuelle Modulkonfiguration für das jeweilige Gebäude zu wählen. Je nach Standort und Beschaffenheit der Fassaden wurden passende Pflanzen und gegebenenfalls eine Rankhilfe zur Verfügung gestellt.

Ziel des begleitenden Monitorings während des ganzen Projektzeitraums war die Erhebung von einfachen, dynamischen, anwendungsrelevanten und grundsätzlichen Daten zur Darstellung der Auswirkungen der Demonstrationsprojekte. Dabei wurden wirtschaftliche (Low-Cost-Validierung), bau- und vegetationstechnische (BeRTA-Modul-Gestaltung) sowie sozialwissenschaftliche (auf die Nachbarschaft bezogene) Faktoren erhoben. Dies ermöglichte eine laufende technische Optimierung des BeRTA-Moduls sowie des innovativen, digitalen Partizipationsinstruments. Durch das laufende Monitoring unter Einbindung der NutzerInnen wurden „Citizen Science“-Ansätze in das Projekt integriert und gleichzeitig die Akzeptanz gesteigert.

Warum es sinnvoll war, mit Beteiligung zu arbeiten

Die Beteiligungsformate waren der entscheidende Gelingensfaktor für das Projekt. Der Beteiligungsprozess war zentral, um das Grünfassadenmodul und den entsprechenden Einreich-Prozess zu entwickeln, aber auch, um die Innovation zu erproben. Ohne intensive und zielgruppengerechte Partizipation wäre keine Umsetzung des Projektes möglich gewesen.

Nur durch das Involvieren der verschiedenen Zielgruppen – v.a. der EndnutzerInnen – konnte eine praxisnahe Lösung entwickelt werden.

Erfahrungen zum Weitergeben / Lessons learned

Das Einbeziehen von allen relevanten Stakeholdern (Nutzer:innen / Anwender:innen, Mitarbeitende in den betroffenen Dienststellen, Expert:innen für Produkte) bedeutet zwar einen hohen koordinativen und organisatorischen Aufwand. Um die Anforderungen an eine Produkt- bzw. Prozessinnovation aber gründlich und umfassend zu erheben, ist ein solches Vorgehen jedenfalls empfehlenswert.

Die erarbeiteten Ergebnisse des Projektes sind in Österreich und darüber hinaus anwendbar und bieten eine umfassende Grundlage für die Planung von qualitätsgesicherter troggebundener Fassaden- und Innenhofbegrünung für Interessierte.

Mit der Einführung der BeRTA-Module gelang der Stadt Wien ein Leuchtturmprojekt in Bezug auf vertikale Begrünung von öffentlichen Freiräumen. Die gewonnen Erfahrungen und Erkenntnisse können im Rahmen eines Wissenstransfers und Austausch mit anderen Kommunen und Stadtverwaltungen auf nationaler und internationaler Ebene weitergegeben werden, um den verstärkten Einsatz von grünen Infrastrukturen im urbanen Raum zu stärken.

Auftraggeber:in

Umsetzung im Rahmen des Forschungsprojekte „50 Grüne Häuser“

Prozessbegleitung und -beratung

Forschungskonsortium „50 Grüne Häuser“, unter Leitung von tatwort Nachhaltige Projekte GmbH

Kosten und Finanzierung

Umsetzung im Rahmen des Programmes „Stadt der Zukunft“ des BMK



Ansprechpartner:in

Projektleitung

Susanne Lins

tatwort Nachhaltige Projekte Gmbh
Haberlgasse 56/3
1160 Wien
+43 650 2176599