Zugang zu Gerichten

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Die wichtigsten Aspekte der 3. Säule der Aarhus-Konvention sind in der Umweltinformationsrichtlinie und in der Öffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie abgedeckt, womit die wesentlichen Bestimmungen über den Zugang zu Gerichten auf europäischer wie auch auf nationaler Ebene umgesetzt sind.

Eine weitere Bestimmung der Konvention, Art. 9 Abs. 3, sieht eine Art Überprüfungsverfahren bei Verstößen gegen innerstaatliche Umweltrechtsvorschriften vor. Diese Bestimmung ist allerdings in der Konvention eher vage formuliert und lässt den Vertragsstaaten einen Interpretationsspielraum (z.B. wer unter welchen Bedingungen eine derartige Anfechtung durchführen können soll).

Der Zugang zu Gerichten betrifft nicht nur die nationalen Rechtsordnungen, sondern auch die europäischen Institutionen (Rat, Kommission und Parlament).

Aarhus-Verordnung

Der Rat und das Europäische Parlament haben sich im Vermittlungsausschuss am 2. Mai 2006 auf einen Verordnungsvorschlag (Regulation 1367/2006) über die Anwendung der Aarhus-Bestimmungen für die EU-Institutionen geeinigt. Danach können sich BürgerInnen und Umweltorganisationen direkt an die Dienststellen der Kommission und des Europäischen Parlaments wenden. Diese müssen binnen 15 Tage Auskunft über Informationen zu Umweltangelegenheiten geben. Die Verordnung wurde im September 2006 kundgemacht und ist seit Ende Juni 2007 anzuwenden.

Die Europäische Kommission hat am 13. Dezember 2007 die Durchführungsvorschriften zur Aarhus-Verordnung beschlossen. Der Beschluss führt näher aus, welche Angaben NGOs bei Anträgen auf interne Überprüfung von EU-Verwaltungsakten machen müssen. NGOs sind nach der Aarhus-Verordnung berechtigt, Anträge auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten und Unterlassungen auf Gemeinschaftsebene zu stellen. Dabei sind genaue Angaben über den EU-Verwaltungsakt anzugeben, die Gründe für den Antrag wie auch eine AnsprechpartnerIn seitens der NGOs. Auch müssen NGOs Unterlagen beibringen, die nachweisen, dass sich die Organisation für Umweltschutzinteressen einsetzt und es sich um eine unabhängige Einrichtung handelt. Die Kommission kann zur Überprüfung der Angaben auch die Behörden des jeweiligen EU-Mitgliedstaates kontaktieren.

Die Mitgliedsstaaten der EU und auch die Institutionen der Gemeinschaft sind verpflichtet, sich an die Bestimmungen der Aarhus-Konvention zu halten. Dazu sind Anpassungen im Bereich der europäischen Institutionen notwendig.
Die Kommission hat daher auch einen entsprechenden Verordnungsentwurf präsentiert, der sich an die Gemeinschaftsinstitutionen richtet. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass

  • der Zugang zu Umweltinformationen,
  • die Öffentlichkeitsbeteiligung an umweltrelevanten Verfahren und
  • die Rechtsdurchsetzung in Umweltangelegenheiten

auch auf die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft Anwendung finden sollen. Zur Umsetzung der Aarhus-Verordnung veröffentlichte die Europäische Kommission auch einen Praktischen Leitfaden.

Als entscheidender Verhandlungspunkt im Vermittlungsausschuss war zu lösen, welches Regime beim Zugang zu Umweltinformationen anzuwenden ist und welche Gründe für die Verweigerung der Herausgabe angeführt werden können. Im Gegensatz zum Europäischen Parlament (EP), das ursprünglich die Bestimmungen der Umweltinformationsrichtlinie 2003/4/EG befürwortete, sah der Rat die Anwendung der Transparenz-Verordnung 1049/2001 vor. Für den Zugang zu Umweltinformationen ist nun vorgesehen, dass einerseits die nach der Transparenz-Verordnung bestehenden Ausnahmen restriktiv ausgelegt werden müssen. Andererseits ist bei der Abwägung über Herausgabe oder Ablehnung zu berücksichtigen, dass ein öffentliches Interesse vorliegt, wenn Daten über Umweltemissionen betroffen sind. Damit wurde dem Wunsch des EP Rechnung getragen, den Umweltinformationszugang nicht zu stark einzuschränken. Ausnahme betreffen Informationen, die von Seiten der Europäischen Kommission im Rahmen der Untersuchungen zu Vertragsverletzungsverfahren angestrengt werden. Diese Informationen müssen nicht gewährt werden. Wesentliche Inhalte der Verordnung:

  • Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft müssen die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen berücksichtigen und der Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen.
  • Datenbanken oder Register sollen Informationen über die in Vertragsverletzungsverfahren unternommenen Schritte enthalten.
  • Die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft müssen die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu Informationen eng auslegen, wobei das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe und ein etwaiger Bezug der beantragten Informationen zu Umweltemissionen zu berücksichtigen sind.
  • Antrag auf Überprüfung bzw. Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene im Hinblick auf Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen entsprechend den in der Verordnung festgelegten Bedingungen. 
  • Die Verordnung ist ab 28. Juni 2007 gültig.

Richtlinienvorschlag Zugang zu Gerichten

Die Kommission hat Ende Oktober 2003 einen lang angekündigten Vorschlag für eine Richtlinie über den „Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten„ präsentiert. Dieser verfolgt im Prinzip zwei Ziele:

  1. die genannte Bestimmung der Konvention durch EU-weite Mindeststandards umzusetzen und
  2. die Durchsetzung des Umweltrechts in der Gemeinschaft – v. a. auch im Hinblick auf die Erweiterung – zu stärken.

Eine besondere Rolle wird in diesem Vorschlag wiederum den Umweltschutzorganisationen zuerkannt. Bei Erfüllung bestimmter Kriterien sollen diese dazu berechtigt sein, Überprüfungsverfahren vor Gerichten (bzw. unabhängigen, unparteiischen Stellen) einzuleiten, wenn umweltrechtliche Vorschriften verletzt werden.
Die Verhandlungen zum Richtlinienvorschlag wurden bisher von keiner EU-Präsidentschaft mangels mehrheitsfähiger Unterstützung aufgegriffen. Die Mitgliedstaaten vertreten überwiegend die Auffassung, dass die Richtlinie keine zwingende Voraussetzung für die – mittlerweile erfolgte – Ratifizierung des Aarhus-Übereinkommens durch die EG darstellt. Zu den Anforderungen aber auch Barrieren für die Rechtsdurchsetzung in Umweltangelegenheiten hat das REC (Regional Environmental Center for Central and Eastern Europe) im Jahr 2003 ein Handbuch herausgegeben, das auch zahlreiche Fallbeispiele enthält (siehe dazu Downloads).

Um den Gerichtszugang in Europa zu stärken, hat die Europäische Kommission 2013 einen Bericht zum Umsetzungsstand in Auftrag gegeben („Darpö-Bericht„) sowie im April 2017 eine Mitteilung zu dem Thema erstellt.

Rechtszugang zu nationalen Gerichten

Wie können BürgerInnen und Organisationen in Angelegenheiten des EU-Umweltrechts ihre Rechte gegenüber nationalen Gerichten besser geltend machen? Die europäische Kommission hat am 28. April 2017 eine Mitteilung zum Rechtszugang nach Art 9/3 Aarhus-Konvention veröffentlicht. In der Mitteilung beleuchtet die Kommission, inwiefern der Rechtszugang von Individuen und Organisationen zu nationalen Gerichten in Umweltangelegenheiten von den EU-Mitgliedstaaten gewährleistet wird. Die Kommission hält fest, dass zwar die geltenden Vorschriften der EU, die sich insbesondere aus der Auslegung  des  EuGH  ergeben, einen kohärenten Rahmen für den Rechtszugang bieten (siehe auch das Verzeichnis einschlägiger Rechtssprechung im Anhang I der Mitteilung). Jedoch ist dieser Rechtszugang – also das Recht Anklage zu erheben, einen Fall ordentlich untersuchen zu lassen, sowie wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung zu haben – in der Praxis nicht immer gegeben.

Mit der Mitteilung bezweckt die Kommission, geltenden rechtlichen Anforderungen zum Durchbruch zu verhelfen und den Zugang zu Gerichten, auch für Umwelt-NGO’s, zu erleichtern. Das Dokument ist für die EU-Mitgliedstaaten rechtlich nicht bindend.