Allgemein
Das Ephesos-Modell ist ein Partizipationsverfahren, das von der Kienast & Kienast GmbH im Auftrag der Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG für komplexe Verkehrsinfrastrukturprojekte entwickelt wurde. Anlass war die Planung der Hochleistungsstrecke Wien – St. Pölten.
Ziel des Modells ist, Personengruppen, die von einem Umweltverträglichkeits-Verfahren (UVP-Verfahren) betroffenen sind, schon im Vorfeld der eigentlichen UVP klar und verständlich über das anstehende Projekt zu informieren. Das Verfahren sieht einen mehrstufigen Beteiligungsprozess mit unterschiedlichen Arbeitsgruppen (Foren) vor und geht weit über die klassische Kommunikations- und Informationsarbeit hinaus. Direkte und offene Gesprächs- und Diskussionsmöglichkeiten zwischen Projektbetreiber:innen und der betroffenen Bevölkerung sollen helfen, der Zielsetzung des UVP-Gesetzes im Sinne der Bürger:innenbeteiligung besser nachzukommen.
Ablauf
Das Ephesos-Modell baut im Wesentlichen auf Gesprächsforen auf, die sich nach der Art der Zusammensetzung in Gemeindeforen und regionale Foren unterscheiden. Die Arbeit in diesen Foren findet parallel statt, wobei die Zusammensetzungen unterschiedlich sind und die einzelnen Foren durch Vertreter:innen aus den anderen Foren vernetzt sind. Die Zusammensetzung wird in den jeweils nachfolgenden Stufen immer kleinteiliger.
Regionale Foren
Auf der Stufe der regionalen Foren treffen sich unter anderen Vertreter:innen der betroffenen Gemeinden, Vertreter:innen der Bezirksbehörde, Abgeordnete zu Landes- und Bundesparlament, Vertreter:innen der gesetzlichen Interessensvertretungen, sowie regional gebildete Bürger:inneninitiativen.
Gemeindeforen
Die Ebene der Gemeindeforen besteht aus der:dem jeweiligen Bürgermeister:in bzw. Gemeindevorsteher:in und den Gemeinderät:innen. Zusätzlich sind hier Vertreter:innen der betroffenen Anwohner:innen und Grundeigentümer:innen eingeladen, sowie lokale Bürger:inneninitiativen und Vereine.
Die Mitglieder der Gemeindeforen werden hierbei durch die Verantwortungsträger:innen der jeweiligen Gemeinde gemeinsam mit der Prozessbegleitung festgelegt.
Lenkungsausschuss
Ergänzend zu den kommunalen und regionalen Foren kann noch ein Gremium eingesetzt werden, welches die Tätigkeit in den operativen Planungsorganen koordiniert und mit dem Bund abstimmt. In diesem so genannten Lenkungsausschuss können beispielsweise Vertreter:innen der Landes- und nationalen Verkehrsplanung, der Betreiber:innengesellschaft, der nationalen Umweltorganisationen, sowie der Projektleitung mitwirken.
Zu beachten
Das Prinzip der klaren Gliederung der Foren: Die Foren werden aufgrund des Projekts und einer Analyse der Betroffenenstruktur zusammengesetzt und sind daher von Projekt zu Projekt unterschiedlich. Wichtig für die Foren sind Klarheit über die Arbeits- und Kommunikations-Ziele des jeweiligen Forums, sowie das Vertreter:innen aller betroffenen Interessens-Gruppen an einem oder mehreren Foren teilnehmen können. Die Rahmenbedingungen für einen guten Verlauf der Arbeit in den Foren sind:
- Ein klarer Zeitrahmen – sowohl für die einzelnen Zusammenkünfte als auch für die Gesamtdauer des Prozesses.
- Eine straffe und sinnvolle Frequenz der Foren – da die Mitarbeit der meisten Teilnehmer:innen in der Freizeit erfolgt.
- Eine klar geregelte Arbeitsweise – diese soll in der ersten Sitzung schriftlich vereinbart werden. Dieser Vereinbarung soll Regelungen zur Arbeitsmethode, zur Dauer des Prozesses, zu Entscheidungsprozessen mit den damit verbundenen Verantwortlichkeiten, sowie die Rolle der Moderation enthalten.
- Professionell vorbereitete Zusammenkünfte – insbesondere ist für eine verständliche Visualisierung (Pläne, Modelle, schriftliche Unterlagen) zu sorgen.
Das Prinzip der Moderation und Prozessbegleitung: Um eine professionelle, für alle Seiten faire und effektive Kommunikationsarbeit in den Foren, aber auch in den begleitenden Gesprächen und Informationsveranstaltungen zu gewährleisten, wird der gesamte Prozess durch eine:n Moderator:in begleitet, der:die in keinem der beteiligten Sozialsysteme Mitglied ist (d.h. kein:e Gemeindefunktionär:in, Betreiber:in/Planervertreter:in, Mitglied einer Bürgerinitiative). Der Erfolg des Ephesos-Modells hängt zu einem großen Teil an der professionellen Arbeit des:der Moderator:in.
Das Prinzip der schriftlichen Dokumentation: Um den Prozess, Anfragen und Wünsche, Ergebnisse und Zusagen festzuhalten, aber auch um die Ernsthaftigkeit der Arbeit hervorzuheben, wird eine durchgehende schriftliche Dokumentation seitens der Prozessbegleitung durchgeführt. Diese Dokumente sind der Öffentlichkeit zugänglich.
Dauer der Durchführung: Das Ephesos-Modell setzt mit dem Beginn des Trassenauswahlverfahrens, spätestens aber zum Zeitpunkt der UVP-Anzeige ein und beendet seine Arbeit mit der Abgabe der Umweltverträglichkeitserklärung durch den:die Projektbetreiber:in. Es ist jener Zeitraum, der bereits im UVP-Gesetz rechtlich geregelt ist. Das eigentliche Behörden-Prüfverfahren hat zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnen. Dieser Zeitraum wurde gewählt, da er den größten Einfluss auf das Projekt und damit auf die Umweltverträglichkeitserklärung ermöglicht, meist zeitlich eingrenzbar ist und bereits im Vorfeld des UVP-Behörden-Verfahrens liegt. Die Durchführung in diesem Zeitraum soll den betroffenen Bürger:innen signalisieren, dass der:die Projektbetreiber:in ernsthaft an Stellungnahmen und Vorschlägen und deren Aufarbeitung bzw. wo möglich Einarbeitung in die Einreichunterlagen interessiert ist.
Weiterführende Informationen
Wichtige Dokumente
Externe Links
- Netzwerk Bau: Bürgermitarbeit (Kohl, B., Smetanig, H., Ernst, M. Kienast, G., 2003)
- Wadenpohl, F. (2010): Stakeholder Management bei großen Verkehrsinfrastrukturprojekten, Dissertation
- Netzwerk Bürgerbeteiligung: Evolution einer partizipativen Planungskultur: Die Bahninfrastruktur-Großvorhaben „Stuttgart 21„ und „Hauptbahnhof Wien„ im Vergleich